Frühes Abendessen senkt das Krebsrisiko

Mediziner empfehlen, das Abendessen eher früh anzusetzen. Grund dafür sind Statistiken aus Spanien: Wer die letzten zwei Stunden vor dem Schlafengehen nichts mehr isst, hat ein um 20 Prozent geringeres Risiko für Prostata- und Brustkrebs.

Dass die Studie an spanischen Probanden durchgeführt wurde, ist kein Zufall: In Spanien ist es nicht unüblich, selbst um 22 Uhr noch eine volle Abendmahlzeit zu essen. Das Forscherteam vom Institut für globale Gesundheit in Barcelona (ISGlobal) wollte herausfinden, ob sich spätabendliche Anforderungen an den Stoffwechsel auf die Gesundheit auswirken.

Studie

„Effect of mistimed eating patterns on breast and prostate cancer risk“, International Journal of Cancer (17.7.2018).

Man hatte die Vermutung, dass das ähnliche Folgen haben könne, wie ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus, wie man ihn von Nacht- oder Schichtarbeitern kennt, erklärt die Epidemiologin und Ko-Autorin der Studie, Gemma Castaño. Ein solch gestörter Tagesrhythmus habe viele durch Studien belegte negative Folgen für die Gesundheit. Dazu gehöre auch ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko für Brust- oder Prostatakrebs. Genau diese Tendenz wurde jetzt auch bei Spätessern nachgewiesen.

Stärkerer Effekt bei Morgenmenschen

Die Forscher hatten persönliche Interviews mit 621 Prostatakrebs-Patienten und 1.205 Brustkrebs-Patientinnenen durchgeführt. Ebenso mit 872 männlichen und 1.321 weiblichen gesunden Kontrollprobanden aus verschiedenen Teilen Spaniens. Erhoben wurden dabei etwa Schlaf-, Ess- und Rauchgewohnheiten, ebenso Einkommen, Bildung und die Anzahl der Kinder - all diese Faktoren bewerteten die Forscher mit einer Punktezahl und machten sie somit vergleichbar.

Resultat: Menschen mit den gleichen Risikofaktoren hatten eher keine Krebserkrankung, wenn sie wenigstens zwei Stunden vor dem Schlafengehen nichts mehr gegessen hatten. Besonders ausgeprägt war dieses Ergebnis bei Morgenmenschen, die besonders früh am Tag aktiv sind.

Unterschätztes Timing

Ob ein abendlicher Snack mit einer ganzen Abendmahlzeit vergleichbar sei, könne man nach dieser Studie nicht sagen, sagt Gemma Castaño. Das sei die erste solche Studie zu diesem Thema gewesen, frühere Studien zum Zusammenhang zwischen Nahrung und Krebs hätten sich eher auf die Art des Essens konzentriert: etwa auf die Nahrungsmenge oder auf die gesundheitlichen Effekte von Fleisch, Obst und Gemüse.

Dem Zeitpunkt der Mahlzeiten wurde bisher kaum Beachtung geschenkt. Dabei habe sich in Versuchen mit Tieren gezeigt, dass das Timing der Nahrungsaufnahme sehr wohl Auswirkungen auf den Stoffwechsel und die Gesundheit habe. Castaño hofft, dass ähnliche Studien auch in anderen Kulturräumen folgen - und die Ergebnisse prüfen werden.

Welche Fastenmethode ist am besten?

Auf klinische Studien hingegen hofft der Biochemiker, Alters- und Fastenforscher Frank Madeo von der Universität Graz: Das Problem solcher Befragungsstudien sei eben, dass sie nicht genügend Störfaktoren ausschließen können - Faktoren, die genauso das Krankheitsrisiko beeinflussen könnten. Was, fragt Madeo, wenn jene Menschen, die Stunden vor dem Schlafengehen nichts mehr essen, einfach disziplinierter sind oder eher auf ihre Gesundheit achten?

Trotzdem zweifelt Madeo die Ergebnisse nicht an: Bei Frauen mit Brustkrebs habe sich beispielsweise gezeigt, dass sie weniger oft wiedererkranken, wenn sie über Nacht Fastenphasen von wenigstens 13 Stunden einhallten, erzählt Madeo – also früh abendessen und spät frühstücken.

Außerdem passen die Ergebnisse gut zu dem, was man aus Tierstudien über die Auswirkungen von Essenspausen weiß. Zeitweises Fasten scheint viele mit dem Älterwerden assoziierte Gesundheitsprobleme zu mindern – auch Krebserkrankungen: “Insgesamt besteht kein Zweifel, dass Fasten schützend wirkt. Nur: Wie genau das Fasten gemacht werden muss, ob nicht unterschiedliche Menschen unterschiedlich fasten müssen, das sind offen Fragen“.

Tagelanges Fasten, tageweise abwechselndes, oder zwischenzeitliches Fasten von z.B. 14 Stunden – welche Methode für welchen Patienten und oder welches Krankheitsbild geeigneter wäre, sei unbekannt.

Gesundung ohne Medikamente

Klinische Studien am Menschen, bei denen man unterschiedliche Probandengruppen langfristig nicht nur beobachten, sondern auch in deren Leben eingreifen müsste, würden einiges an Zeit und Geld kosten. Das Resultat aber dürfte es wert sein, glaubt Frank Madeo: “Weil dadurch ein großer Impact auf das Gesundheitssystem oder auf die Gesundheit der Menschen erreicht werden kann. Und das mit relativ einfachen Mitteln. Denn Sie müssen ja keine Pille schlucken, Sie müssen einfach gar nichts tun, nämlich vor allem nichts essen.“

Um Fasten medizinisch gezielt einzusetzen, fehlen noch viele Daten, auch wenn in den letzten Jahren vermehrt vielversprechende Effekte beobachtet werden konnten. Wer selbst Fastenzeiten oder einen Fastentag ausprobieren möchte, könne das, sofern generell gesund, ohne Risiko versuchen, meint der Biochemiker. Chronisch kranke Menschen sollten vorher aber lieber ärztlichen Rat einholen.

Isabella Ferenci, Ö1-Wissenschaft

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