Plastikersatz: Holz und Krabbe

Eine Lösung für das weltweite Plastikmüllproblem ist in Sicht: Baumfasern und Krabbenschalen - aus diesen Materialien könnte künftig die Verpackung von Lebensmitteln bestehen. Der Verbundstoff aus der Natur ist im Gegensatz zu Plastik kompostierbar.

Hergestellt wird die Folie mit der Sprühdose. Schicht für Schicht werden abwechselnd Nanobestandteile von Krabbenschalen und Baumfasern aufgetragen. Das getrocknete Endprodukt ist eine durchsichtige, kompostierbare Folie, die nicht nur wie Plastik aussieht, sondern sich auch so verwenden lässt, schreiben US-Forscher nun im Journal „ACS Sustainable Chemistry and Engineering“.

Die Studie

Spray-Coated Multilayer Cellulose Nanocrystal - Chitin Nanofiber Films for Barrier Applications, ACS Sustainable Chemistry and Engineering (23.7.2018).

Ebenso wie sein umweltschädliches Vorbild hält das neuartige Material Sauerstoff von verderblichem Obst und Gemüse ab. Verglichen mit handelsüblichem PET etwa - kurz für Polyethylenterephthalat - ist die Krabben-Baum-Folie in diesem Punkt sogar noch effektiver. „Unser Material lässt 67 Prozent weniger Sauerstoff durch als manche Formen von PET. Das heißt, es könnte theoretisch Essen länger frisch halten“, erklärt J. Carson Meredith vom Georgia Institute of Technology. Auf diese Weise könnte die Folie dabei helfen, nebst Plastikmüll auch Lebensmittelabfälle zu reduzieren.

Kristalle als Sauerstoff-Barriere

Möglich macht das der kristalline Aufbau des neuartigen Materials. Chemisch betrachtet besteht die Folie aus Zellulose von Baumfasern sowie aus Chitin, das aus Krabbenpanzern gewonnen wird. Während Ersteres als natürliches Biopolymer bereits in der alternativen „Plastikherstellung“ bekannt ist, ist Chitin eher neu. Dabei handelt es sich wie bei Zellulose um ein strukturgebendes Polysaccharid.

„Die besondere Eigenschaft von Chitin ist, dass es im Vergleich zu synthetischen Polymeren extrem kristallin ist“, so Meredith. Zusammen mit Zellulose-Nanokristallen kreiert Chitin eine dichte Struktur, die die Sauerstoff-Gasmoleküle nur schwer durchdringen können. „PET und andere Kunststoffe bestehen zu einem großen Teil aus amorphem Material. Hier gibt es für die Gase mehr Möglichkeiten hindurchzuschlüpfen.“

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmete sich auch die Sendung „Wissen aktuell“ am 24.7. um 13.55 Uhr.

Die Festigkeit der Oberfläche ergibt sich vor allem durch die Art und Weise, wie Chitin und Zellulose aufgetragen werden. „Wir erkannten, dass die Chitin-Nanofasern positiv geladen sind und Zellulose-Nanokristalle negativ. Sie lassen sich deshalb so gut abwechselnd auftragen und schaffen eine gut verbundene Schnittfläche“, sagt Meredith. Je öfter man den Vorgang wiederholt, desto dicker wird das Material. „Es wäre somit auch möglich, Ketchup-Flaschen oder Einweggeschirr herzustellen“, so der US-Forscher.

Nächster Schritt: Automatische Herstellung

Noch befinden sich die Forscher mit dem Material im Entwicklungsstadium, sind aber zuversichtlich, dass die kompostierbare Verpackung in naher Zukunft auf den Markt kommen kann. Denn am Grundmaterial mangelt es nicht: „Mit der Menge an Zellulose, die jetzt bereits produziert wird, und der großen Menge an chitinhaltigen Abfallprodukten in der Fischerei gibt es mehr als genug Material, um die neuen Folien herzustellen“, sagt Meredith.

Damit das Verpackungsmaterial in Serie produziert und somit auch preislich mit Kunststofffolien mithalten kann, müssen die Fertigungsprozesse aber erst entwickelt werden. Noch machen die Forscher alles von Hand. Vor allem wenn es darum geht, Chitin industriell herzustellen, stehen die Forscher noch am Anfang, betont Meredith.

Darüber hinaus gibt es auch noch ein technisches Manko bei der Alternativfolie: Sie lässt Wasserdampf noch zu sehr durch. „Das ist vor allem von Nachteil, wenn man Kekse oder Müsli verpacken will, das nicht seine Knackigkeit verlieren soll.“ Um das Problem zu lösen, gibt es zwei Möglichkeiten, erklärt Meredith gegenüber science.ORF.at: Entweder man bearbeitet Chitin oder Zellulose chemisch, mit Salzen etwa - oder man versucht die Struktur durch kurzes Erhitzen zu verdichten.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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