Satellitentaxis für Europa

Großbritannien plant im Norden Schottlands den ersten Weltraumbahnhof auf europäischem Boden. Von hier aus sollen ab den 2020er Jahren kleine Satelliten ins All starten: Die britische Raumfahrtbehörde hofft auf ein Milliardengeschäft.

Der Markt mit kleinen Satelliten soll in den kommenden Jahren boomen, davon ist auch der Astrophysiker und Weltraumpolitikexperte Matteo Tugnoli vom Europäischen Institut für Weltraumpolitik überzeugt. In dieses Geschäft will Großbritannien einsteigen und sich rechtzeitig in Position bringen. „Viele britische Firmen produzieren bereits kleine Satelliten. Die wollen sie nun auch ins All schicken“, so Tugnoli.

Bereits seit Jahren denken die Briten darüber nach, einen Weltraumbahnhof für Kleinsatelliten zu bauen. Mit der Halbinsel A’Mhoine in der schottischen Grafschaft Sutherland hat man Ende Juli den richtigen Ort dafür gefunden.

Spricht man von kleinen Satelliten, sind damit ein bis 500 Kilogramm schwere Geräte gemeint. Die kleinsten messen etwa zehn Kubikzentimeter und liegen wie ein Würfel in der Hand. „Kleine Satelliten können dank der technologischen Entwicklung heute vieles, was vor wenigen Jahren nur mit größeren Satelliten möglich war.“ Telekommunikation, Experimente für die Wissenschaft und Erdbeobachtung nennt Tugnoli als Beispiele - und betont: „Es ist nicht so, dass sie große Satelliten überflüssig machen. Vielmehr kommen sie noch dazu.“

Flüge für „Kleinkunden“

In die Erdumlaufbahn kommen solche Satelliten bis jetzt nur per Anhalter, so der Weltraumexperte. Das heißt, sie werden in großen Raketen mitgenommen, mit denen etwa ein tonnenschwerer Satellit ins All geschickt wird.

Kleinsatelliten auf diese Art in den Orbit zu bringen, ist zwar relativ günstig, aber auch vergleichbar mit einer Zugreise: Man muss sich, was Fahrzeiten und Reiseziel anbelangt, nach dem Betreiber richten. Im Fall von Satelliten ist das der Hauptkunde, etwa eine Telekommunikationsfirma, die die Mission bezahlt. Verzögerungen sind hier keine Seltenheit. „Unternehmen von kleinen Satelliten müssen einfach akzeptieren, welche Transportarten gerade zur Verfügung stehen.“

Künstlerische Darstellung: Raketenstart im Norden Schottlands

APA/AFP/Orbex/HO

So könnte die Startrampe in der schottischen Grafschaft Sutherland einmal aussehen

Was Großbritannien nun plant, wäre - um im Bild zu bleiben - eine Art Taxistand, wo ausschließlich kleine Raketen starten und Kleinsatelliten an ihr Wunschziel bringen. Medienberichten zufolge rechnet die britische Raumfahrtbehörde mit einem Milliardengeschäft.

Start in den 2020er Jahren

Wie groß der Markt tatsächlich sein wird, lässt sich laut Tugnoli heute noch nicht sagen. Zwar werden immer mehr kleine Satelliten hergestellt. Die Entwicklung der speziellen kleinen Raketen ist aber noch nicht so weit. Allein die Firma „Rocket Lab“ konnte bisher zwei Kleinraketen in diesem Jahr von Neuseeland aus ins All schicken, so Tugnoli.

Die Entwicklungsarbeit läuft global auf Hochtouren. „Der Enthusiasmus ist groß. Rund 60 Firmen weltweit versuchen gerade, sogenannte ‚Micro Launcher‘ zu entwickeln.“ Am Ende wird der Erfolg des Weltraumbahnhofs, der Anfang der 2020er fertig werden soll, nicht zuletzt auch davon abhängen, wie teuer die Raketen sind bzw. zu welchem Preis man das gesamte Service anbieten kann. Konkurrenz wird es in jedem Fall geben.

Portugal und Italien ziehen nach

Denn auch Portugal, Italien und unter Umständen auch Schweden und Norwegen könnten künftig in das Business mit kleinen Raketen einsteigen. Entweder um Kleinsatelliten ins All zu bringen oder um Touristen die Möglichkeit zu geben, die Schwerelosigkeit zu erleben. Letzteres verfolgt man etwa derzeit in Italien. Hier will der Unternehmer Richard Branson gemeinsam mit italienischen Raumfahrtunternehmen einen Weltraumbahnhof in Apulien aufbauen.

Unberührt von all diesen Entwicklungen bleibt hingegen der Weltraumbahnhof Kourou, den die Europäische Raumfahrtbehörde (ESA) in Französisch-Guayana betreibt. Die Gefahr, dass man sich hier wirtschaftlich in die Quere kommt, besteht laut Tugnoli nicht.

„Das Guyana Space Center wird weiterhin das Haupttor Europas in den Weltraum sein. Außerdem werden hier nur mittelgroße bis große Raketen der Familie Ariane und Vega ins All gebracht. Das sind ganz andere Missionen.“ Missionen, mit denen die ESA erfolgreich ist. „In Konkurrenz mit den USA und Russland deckt Europa hier etwa 50 Prozent des globalen Markts ab“, sagt Tugnoli. Und meint in diesem Fall das andere Ende der Skala: Großsatelliten im Tonnenbereich.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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