Forscher finden „Schmerz-Lust-Schalter“ im Gehirn

Schmerzen, Übelkeit und Fieber gilt es üblicherweise zu vermeiden. Es reicht aber schon, einen einzigen „Schalter“ im Gehirn umzulegen, um sie als lustvoll wahrzunehmen. Das gilt zumindest bei Mäusen, wie eine neue Studie zeigt.

Ob es den Mechanismus auch bei Menschen gibt, ist laut Angaben einer Gruppe um David Engblom von der Universität Linköping in Schweden noch nicht klar. An der vor Kurzem erschienenen Studie war auch der österreichische Psychologe Michael Fritz beteiligt, der ebenfalls in Linköping arbeitet und derzeit als Gastlektor an der Stanford University in den USA weilt.

Studie

„Motivational valence is determined by striatal melanocortin 4 receptors“, Journal of Clinical Investigation, 18.6.2018

Die Forscher haben Mäuse genetisch so verändert, dass sie einen bestimmten Eiweißstoff (den Rezeptor MC4R) nicht mehr bilden. Die MC4R-freien Tiere verhielten sich darauf ganz anders als ihre normalen Artgenossen: Während letztere eine Kammer mieden, in denen ihnen die Forscher unangenehme Dinge verabreichten – etwa Stoffe, die Fieber verursachen, Übelkeit auslösen oder die Stimmung verschlechtern - waren die Gentech-Mäuse dort sogar öfter zu finden als in einer anderen Kammer, wo ihnen nichts geschah.

Eine weiße Labormaus

AP

Mehr Glückshormone

Dasselbe passierte nach nasaler Verabreichung eines Wirkstoffes, der MC4R blockiert. Diesen Mäusen war sogar der Schmerz ziemlich egal, wenn sie auf heißen Boden traten. Die Forscher fanden heraus, dass Schmerzen, Übelkeit und Fieber bei diesen Tieren nicht wie bei normalen Mäusen zu einem ein Abfallen der Menge des „Glückshormons“ Dopamin führen, sondern dieses in einer bestimmten Gehirnregion (Nucleus arcuatus) sogar mehr wurde. „Dadurch nehmen die Tiere Dinge wie Übelkeit, Infektionen oder inneren Stress als positiv wahr“, erklärte Michael Fritz.

„Das Gehirn hat also eine Nervenverbindung entwickelt, in der sowohl positive wie negative Wahrnehmung unter der Kontrolle eines einzelnen Rezeptortyps verarbeitet werden“, so der gebürtige Tiroler. Möglicherweise sei dies in der Evolution wichtig gewesen, um bei Bedarf schnell die Wahrnehmung bestimmter Umweltreize zu ändern.

Die Entdeckung habe aber auch klinische Relevanz. Bei Patienten mit chronisch entzündlichen Erkrankungen sei der Leidensdruck durch Unwohlsein sehr groß, führe zu Motivationsverlust und erhöhe das Risiko, dass sich Depressionen als Begleiterscheinung dazugesellen. Möglicherweise könnte man dies in Zukunft einmal mit einem einfachen Nasenspray, der MC4R-Blocker enthält, lindern.

science.ORF.at/APA

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