Stonehenge: Ein Friedhof für Fremde

Das weltberühmte Monument in Stonehenge war auch ein Friedhof. Nun haben Archäologen untersucht, wer dort bestattet wurde: Das Ergebnis überrascht - und wirft ein neues Licht auf die wahre Bedeutung der steinzeitlichen Kultstätte.

Wie ein Team um Christophe Snoeck von der University of Oxford berichtet, befinden sich unter den Bestatteten Menschen, die aus dem fast 300 Kilometer entfernten Westen von Wales stammen. Sie könnten von dort Blausteine von den Preseli-Bergen mitgebracht haben, die nachweislich in einer frühen Bauphase der Anlage verwendet wurden.

„Das ist eine aufregende Entdeckung, denn sie zeigt, wie weit die Menschen von Stonehenge gereist waren“, sagte Mike Parker Pearson, ein Mitglied des Forscherteams.

Bizarre Steinhaufen in Stonehenge

Adam Stanford, Aerial-Cam Ltd

Kürzlich entdeckte Blausteine in Carn Goedog, Wales

Die Frage, aus welchen Motiven die zum Unesco-Weltkulturerbe zählende Anlage errichtet wurde, beschäftigt Wissenschaftler schon seit langem. So wurde etwa vermutet, der Komplex könnte einst als Heilstätte, als Observatorium oder astronomischer Kalender gedient haben.

In der imposanten Anlage finden sich jedenfalls Vertiefungen, in denen schon vor Jahrzehnten Knochenreste von Feuerbestattungen entdeckt wurden. Christophe Snoeck und sein Team haben solche Fragmente nun unter die Lupe genommen. Sie stammen von 25 Menschen, die zwischen 3180 und 2380 vor Christus gestorben waren.

Herkunft durch Isotopen geklärt

Wie die Forscher im Fachblatt „Scientific Reports“ schreiben, stützen sie ihre Analyse vor allem auf die Strontium-Isotopen-Methode. Strontium wird mit der Nahrung aufgenommen und in Knochen und Zähnen eingelagert. Je nach Ort unterscheiden sich die Isotopen-Verhältnisse und geben Hinweise auf die Herkunft - unter anderem durch Vergleich mit heutigen Pflanzen, Zähnen und Wasser.

Das Ergebnis: 15 der 25 untersuchten Menschen stammten aus Stonehenge. Die anderen zehn hatten indes keinen langen Bezug zu dieser Region. Sie müssen mindestens die letzten zehn Jahre ihres Lebens im Westen Großbritanniens gelebt haben, wie die Forscher aus Belgien, Frankreich und England berichten. Manche Tote sind vermutlich in Wales verbrannt und in Stonehenge bestattet worden. Das schließen die Experten aus Untersuchungen von Holzresten.

Forscher vor der Anlage in Stonehenge

Adam Stanford, Aerial-Cam Ltd

Die Forscher vor einem der Aubrey-Löcher, wo Reste von Brandbestattungen gefunden wurden

Auf viele Menschen übt Stonehenge noch heute eine große Faszination aus. Vor allem zur Sommer- und Wintersonnenwende feiern dort Tausende Menschen; sie tanzen, singen und trommeln. Neben Partygängern gehören dazu auch Anhänger heidnischer Kulte. „Für manche ist Stonehenge wie eine Kirche“, sagt eine Kuratorin der Anlage in Wiltshire, England. Auch das könnte durchaus mit der historischen Verwendung in Einklang stehen. Forscher haben bereits mehrfach spekuliert, das Monument sei ein Versammlungsplatz oder gar eine religiöse Tempelanlage gewesen.

science.ORF.at/dpa

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