Patienten von Ärztinnen überleben eher
„Unsere Arbeit bestärkt frühere Untersuchungen, dass Ärztinnen bessere Resultate erzielen als Ärzte“, so Seth Carnahan von der Washington University in St. Louis in einer Aussendung zur Studie. „Neu ist die Erkenntnis, dass Patientinnen besonders davon profitieren.“
Studie
„Patient-Physician Gender Concordance and Increased Mortality Among Female Heart Attack Patients“, Proceedings of the National Academy of Sciences, 6.8.2018
Warum Ärztinnen bessere Resultate erzielen als ihre männlichen Kollegen, ist nicht ganz klar. Tendenziell würden sie aber mehr Empathie im Umgang mit Patienten zeigen, sagt Alexandra Kautzky-Willer, Professorin für Gendermedizin an der Medizinuni Wien, die an der Studie nicht beteiligt war. „Statistisch gesehen nehmen sich Ärztinnen auch mehr Zeit für die einzelnen Patienten und kümmern sich stärker um Prävention und Nachsorge“, so Kautzky-Willer gegenüber science.ORF.at.
580.000 Herzinfarktfälle untersucht
Das Team um Seth Carnahan hat für die Studie Daten von 580.000 Herzinfarktfällen zwischen 1991 und 2010 in Florida statistisch ausgewertet. Dabei zeigte sich ein bekannter Trend: Herzinfarkte verlaufen bei Frauen generell häufiger tödlich als bei Männern, unter anderem, weil Frauen diffusere Symptome haben und diese oft nicht so schnell erkannt werden.
Es spielte aber auch das Geschlecht der behandelnden Ärzte eine Rolle: So starben 11,8 Prozent der Männer und zwölf Prozent der Frauen, die nach einem Infarkt von Ärztinnen im Spital behandelt wurden. Bei Ärzten waren es hingegen 12,6 Prozent der Männer und 13,3 Prozent der Frauen. Der geschlechtsspezifische Unterschied bei der Sterberate war bei ihnen also mehr als dreimal so groß wie bei den Ärztinnen.
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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 7.8., 13:55 Uhr.
Dieser Unterschied ist aber nicht festgeschrieben, sondern verändert sich laut Studie: Denn die Überlebensrate der Patientinnen, die von einem Arzt behandelt wurden, stieg mit der Anzahl der weiblichen Patientinnen, die dieser in der Vergangenheit behandelt hatte - und mit dem Anteil von Ärztinnen im Operationsaal. „Weibliche Kollegen könnten die Abläufe im OP so beeinflussen, dass die Diagnose und Behandlung von Patientinnen erleichtert wird“, so die Autoren in der Studie.

REUTERS/Lucas Jackson
Unterschiede in der Behandlung
Die Ergebnisse sind nun kein Grund zur Beunruhigung für Patienten oder Patientinnen, die von (männlichen) Ärzten behandelt werden. Dennoch werfen sie Fragen auf: Sind Frauen die besseren Ärzte? Und warum haben Männer größere Probleme, Frauen richtig zu behandeln? Diese Frage können die Forscher noch nicht beantworten – eine mögliche Erklärung wäre der sogenannte „ingroup bias“, also die Annahme, dass sich Leute schwerer tun, mit Personen außerhalb ihrer eigenen sozialen Gruppe effektiv zu kommunizieren.
Insofern müssten auch Männer mit Männern besser kommunizieren können – was bei der Behandlung aber offensichtlich nicht ins Gewicht fällt: “Wir sehen keine Hinweise, dass es für Männer ein Vorteil ist, wenn sie von Männern behandelt werden. Wir sehen nur, dass es für Frauen ein Nachteil ist, wenn Männer sie behandeln”, so Brad Greenwood, Co-Autor der Studie gegenüber science.ORF.at.
Ärztinnen halten sich eher an Richtlinien
Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass Ärzte anders behandeln als Ärztinnen. Letztere würden klinische Richtlinien eher einhalten und sich an evidenzbasierten Anwendungen orientieren als männliche Kollegen, wie es etwa in einer 2017 im „Journal of the American Medical Association“ publizierten Studie heißt.
Gendermedizinerin Alexandra Kautzky-Willer kennt weitere Unterschiede: „Mehrere Studien zeigen, dass Ärztinnen sich tendenziell mehr mit der Krankengeschichte auseinandersetzen und sich mehr Zeit nehmen, um auf die Patienten einzugehen.“
Die aktuelle Studie könnte laut den Autoren nun einen weiteren Baustein liefern, um zu erklären, warum Frauen an Herzinfarkten häufiger sterben als Männer: Der Großteil der Internisten ist männlich, und Männer tun sich offenbar schwerer, Frauen mit Herzinfarkt erfolgreich zu behandeln.
Konsequenzen für Praxis
Die Ergebnisse der Studie erlauben unterschiedliche Schlüsse für die Praxis. Eine Konsequenz wäre es, Patientinnen eher von Ärztinnen behandeln zu lassen, wo immer das möglich ist. Oder dafür zu sorgen, dass zumindest auch Ärztinnen anwesend sind, wenn ein Mann die Operation leitet.
Womit das Thema Diversität in Ärzteteams angesprochen ist. Die Autoren betonen, dass ihre Erkenntnisse auch frühere Studien zur Ethnie von Patienten und Ärzten bestärken: Demnach sei es für den Behandlungserfolg wichtig, die Präsenz von Ärzten, die einer Minderheit angehören, zu erhöhen. Darüber hinaus sei es essenziell, in der Medizinausbildung das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass Frauen und Männer unterschiedliche Symptome schildern.
Kautzky-Willer: „Was wir als Behandelnde – egal welchen Geschlechts – daraus ableiten können, ist dass man versucht, auf die Patienten einzugehen, sich mehr Zeit zu nehmen um auch wirklich eine gute Abklärung zu machen und leitlinienkonform zu behandeln.“ Denn die Gender-Medizinerin ist überzeugt: Die adäquate Behandlung von Patientinnen ist erlernbar.
Julia Geistberger, science.ORF.at