Auf der Suche nach „Superpflanzen“

Das Klima wird wärmer, die Weltbevölkerung wächst: Weltweit suchen Biologen deshalb nach „Superpflanzen“, die besonders ertragreich sind und Hitze vertragen. Am deutschen Forschungszentrum Jülich setzt man dabei auf Hightech.

Der Hitzesommer hat der Landwirtschaft vielerorts übel mitgespielt, ohne Bewässerung ging gar nichts. Vielen Nutzpflanzen macht der Klimawandel zu schaffen, und so werden in Zukunft stressresistente Sorten benötigt, die auch bei Trockenheit und Hitze ertragreich sind. Daran forscht Ulrich Schurr, Direktor des Instituts für Pflanzenwissenschaften am Forschungszentrum Jülich und Gast bei den am Wochenende zu Ende gegangenen Technologiegesprächen beim Forum Alpbach. Mithilfe von allerlei Hightech, darunter Sensoren, Drohnen und Robotern ergründet er im Gewächshaus und auf dem Feld, wie Pflanzen und ihre Umwelt interagieren.

Ulrich Schurr beim Interview in Alpbach

Hans Leitner, ORF

Ulrich Schurr beim Interview in Alpbach

Roboter als Pflanzenvermesser

Im UV-durchlässigen Glashaus am Jülicher Campus lassen sich Licht, Wasser, Temperatur und Luftzusammensetzung präzise steuern und dadurch verschiedene Klimabedingungen simulieren. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen machen sich mit eigens gebauten tragbaren Kernspintomografen an Pflänzchen zu schaffen. Sie erfassen mit dem bildgebenden, aus der Medizin entlehnten Verfahren den Eiweiß-und Kohlehydratgehalt von Bohnen und Körnern.

Parallel schnappen sich autonom fahrende Roboter einzelne Töpfe und schaffen sie zu einer Vermessungsstation, an der der Spross genau unter die Lupe genommen und das Resultat aufgezeichnet wird. Mit eigens entwickelten Sensoren wird erfasst, wie effizient die Pflanze Kohlenstoff einlagert, oder Photosynthese betreibt. „Bei uns sieht man sehr viel Technik und wenig Pflanze“, schmunzelt Ulrich Schurr.

Grundlagenforschung für Züchter

Außerhalb des Gewächshauses, über den Feldern des Jülicher Forschungsinstituts kreisen Flugzeuge, Zeppeline und Drohnen. Sie messen, wie gut und schnell die Pflanzen gedeihen. „Drohnen filmen aus unterschiedlichen Perspektiven und liefern uns eine Art Multikamerablick. Daraus können wir eine dreidimensionale Struktur ableiten und die Wuchshöhe bestimmen.“

Außerdem messen die Forscher Farbunterschiede und ermitteln so den Blühzeitpunkt. Das Pflanzenüberwachungsarsenal reicht sogar bis hin zu Satelliten. Die Jülicher Forscher sind an einer ESA-Mission beteiligt, die Satellitendaten für die Landwirtschaft nutzbar macht.

Roboter im Pflanzenlabor

Forschungszentrum Jülich

Roboter im Pflanzenlabor

Technologiegespräche Alpbach

Von 23. bis 25. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Ulrich Schurr diskutierte am 23.8. zum Thema „Ernährungswissenschaft“.

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Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch die Sendung „Dimensionen“ am 27.8.

Mit dem Gerätepark wollen Ulrich Schurr und sein Team viele Fragen beantworten oder den Antworten zumindest näher kommen. Welchen Einfluss haben Wasser und Nährstoffe oder Bodendichte auf das Wachstum? Wie wirken sich verschiedene Temperaturen im Boden aus? Wie schwächen Krankheiten die Pflanze? Und wie machen bestimmte Mikroorganismen die Pflanzen robust: „Wie der Mensch verfügen auch Pflanzen über ein spezifisches Mikrobiom, von dem sie profitieren. Manche Mikroorganismen unterstützen Pflanzen beim Wachstum und bei der Nährstoffaufnahme."

Fitte Pflanzen für den Klimawandel

Mit seiner Grundlagenforschung liefert Ulrich Schurr auch wichtige Informationen für Züchter. Sie können die genetischen Eigenschaften, die durch Gensequenzierung identifiziert werden, mit dem Wachstumsverhalten auf dem Feld unter bestimmten Boden- und Klimabedingungen abgleichen.

Züchter suchen nach robusten Superpflanzen: die mit möglichst wenig Wasser, Nährstoffen, Dünger und Pestiziden hohe Erträge liefern. Dafür müssen verschiedene Merkmale einer Pflanze zusammenspielen. Das macht die Zucht heute so kompliziert. Ein Dauerthema sind Resistenzen gegenüber Krankheiten, sagt Ulrich Schurr. „Hat man eine Pflanze gefunden, die bestimmte Resistenzen aufweist, kann man sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen, weil sich Pathogene immer weiterentwickeln. Das ist ein ständiger Wettlauf.“

Besonderes Interesse hat Ulrich Schurr an den Wurzeln. Der unterirdische Teil ist zum Großteil dafür verantwortlich, wie effizient die Pflanze Wasser und Nährstoffe aufnehmen und sich im Boden verankern kann. „Wir benutzen sogenannte Rhizotrone, schräg gestellte durchsichtige Platten, an denen die Wurzeln entlang wachsen. Dadurch können wir an Tausenden Pflanzen Wurzelmerkmale ableiten."

Rhizotron von Pflanzen

Forschungszentrum Jülich

Eine Pflanze wächst aus einem Rhizotron

Kein Pflänzchen muss leiden

Im Jülicher Gewächshauslabor wachsen unzählige Arten: von Getreide und Tomaten, bis hin zu Zwiebeln, Maniok und Bäumen. Musste man Pflanzen früher ausreißen und zerschneiden um mehr über ihr Innenleben zu erfahren, so kann Schurr mit den Durchleuchtungsmethoden aus der Medizin am lebenden Objekt forschen und den gesamten Lebenszyklus einer Pflanze beobachten.

Durch seine Arbeit macht Ulrich Schurr die Pflanzenzucht schneller und effizienter. Züchter können durch die Technik eine Vielzahl an Merkmalen erfassen, die ihnen bisher verborgen waren, wie etwa die Wurzelbildung oder die Photosynthese. Drohnen oder Satelliten erledigen die mühsame Beschau im Feld und erfassen Daten autonom.

Technik im Gewächshaus und am Feld wird eine größere Rolle spielen, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, meint Ulrich Schurr. Laut Prognosen müssen in 30 Jahren auf unserem Planeten zehn Milliarden Menschen versorgt werden, ein Drittel mehr als jetzt.

Anna Masoner aus Alpbach, Ö1 Wissenschaft

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