Schmutzige Luft mindert Intelligenz
Ein chinesisches Forscherteam hat die Ergebnisse von Intelligenztests mit der Luftverschmutzung an den Wohnorten der Teilnehmer kombiniert und einen deutlichen Zusammenhang gefunden: „Die Intelligenz von Menschen, die in den Städten mit der größten Luftverschmutzung wohnen, ist am stärksten betroffen“, sagt Studienautor Xi Chen von der Yale School of Public Health gegenüber science.ORF.at. Für Ältere gilt das mehr als für Jüngere, für Männer mehr als für Frauen.
Studie
„The impact of exposure to air pollution on cognitive performance“, PNAS, 27.8.2018
„Bisher gab es wenige Studien zur Auswirkung von Luftschadstoffen auf die Gedächtnisleistung, und wenn dann zu Kindern“, bestätigt Hanns Moshammer, Leiter der Abteilung für Umweltmedizin am AKH Wien und nicht an der Studie beteiligt, die Wichtigkeit der aktuellen Arbeit. Darin wurden die Daten von knapp 32.000 Chinesen und Chinesinnen ab zehn Jahren ausgewertet, die in oder rund um Städte leben, und die dortigen Feinstaub-, Schwefeldioxid- und Stickstoffdioxidwerte herangezogen.

GREG BAKER / AFP
Mit Atemschutzmaske an einem stark verschmutzten Tag in Peking, Jänner 2017
Ältere Männer besonders betroffen
Bei den Tests untersuchten die Forscher Mathematikkenntnisse und sprachliche Fähigkeiten. Letztere verschlechterten sich durch die Luftschadstoffe bei Männern noch stärker als bei Frauen - und zwar vor allem bei älteren und jenen mit niedriger Schulbildung. „Das könnte daran liegen, dass weniger gebildete Menschen eher im Freien arbeiten und dadurch stärker der Luftverschmutzung ausgesetzt sind“, so Studienautor Xi Chen von der Yale School of Public Health gegenüber science.ORF.at.
Der Geschlechterunterschied könnte daher kommen, dass bei Männern und Frauen während der Intelligenztests bestimmte Gehirnregionen unterschiedlich aktiv sind. Die Regionen, die bei den Sprachtests bei Männern aktiviert werden, dürften durch die Schadstoffe besonders stark beeinträchtigt werden, so die Autoren.
Ö1-Sendungshinweis
Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 28.8., 13:55 Uhr.
Sie betonen auch, dass Luftverschmutzung das Risiko für Demenz und Alzheimer erhöhen könnte, denn eine Verschlechterung der Denkleistung bei älteren Menschen stelle hierfür einen Risikofaktor dar. Und: Je länger der Zeitraum, in dem die schlechte Luft eingeatmet wird, desto schlechter ist das auch für das Gehirn und seine Leistung.
Entzündungen und schlechtere Durchblutung
Die medizinische Erklärung, warum das so ist, steht in der Studie im Hintergrund. Ihr geht es mehr um den Zusammenhang von Luftschadstoffen und Hirnleistung. Der Wiener Umweltmediziner Moshammer hat aber zwei Erklärungen: „Erstens: Ultrafeine Partikel gelangen in die Atemwege, durch die Lungenbläschen aber auch ins Blut und in die Körperorgane und können dort zu Entzündungen führen. Entzündungen im zentralen Nervensystem können die kognitive Leistung beeinträchtigen. Zweitens führen die Schadstoffe akut zu oxidativem Stress in den Zellen der Blutgefäße. Die Durchblutung in den Organen kann dadurch absinken, und gerade das Gehirn ist für seine Funktion von einer optimalen Durchblutung abhängig.“

WANG ZHAO / AFP
Menschen vor einem Tempel in Peking an einem stark verschmutzten Tag, Dezember 2016
Feinstaub in Österreich
Starke Luftverschmutzung ist vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern ein Problem. Die 20 meistverschmutzten Städte befinden sich laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) in solchen Ländern, in 98 Prozent ihrer Großstädte werden die Grenzwerte überschritten, heißt es in der Studie.
Europa ist – mit Ausnahmen vor allem in Osteuropa – in dieser Hinsicht also besser dran als Asien und Afrika. „Kognitive Effekte durch Luftverschmutzung wird es auch bei uns geben, sie sind aber nicht das entscheidende Problem“, sagt Mooshammer. „Hier sind das eher durch Luftschadstoffe verursachte Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“
Zudem gibt es für Österreich eine gute Nachricht: Die Feinstaubbelastung wird hier eher weniger, so Moshammer. Maßnahmen gegen Luftverschmutzung dürften also Wirkung zeigen. „Als Umweltmediziner würde ich mir aber noch niedrigere Schadstoffbelastungen und daher noch niedrigere Grenzwerte wünschen. Weil auch Schadstoffmengen, die unter den Grenzwerten liegen, gesundheitliche Belastungen bringen. An vielen Effekten, die man leichter messen kann als die kognitiven, lässt sich zeigen, dass es praktisch eine lineare Dosis-Wirkung-Beziehung gibt. Ob Herzinfarkte, Verschlechterung von Asthma und COPD oder Sterberisiko: je niedriger die Belastung, umso besser.“
Julia Geistberger, science.ORF.at