Uralte Käseproduktion entdeckt

Im Mittelmeer-Raum wurde schon vor 7.200 Jahren Käse produziert - das zeigen Funde einer internationalen Forschergruppe. Käse dürfte damals nicht nur ein wichtiges Nahrungsmittel gewesen sein, die Käseherstellung dürfte auch die Gesellschaft der Jungsteinzeit verändert haben.

Wer Käse herstellen kann, hat nicht nur ein eiweiß- und nährstoffreiches Lebensmittel zur Hand, Menschen können damit auch ernteschwache Zeiten oder lange Winter überdauern.

Denn anders als Milch hat Käse den großen Vorteil, dass man ihn lagern und einfach transportieren kann. Das habe bereits vor 7.200 Jahren gegolten, sagt die Anthropologin Sarah McClure von der Penn State University in den USA, die an dem internationalen Forschungsprojekt beteiligt war.

„Frischkäse, wahrscheinlich Feta“

McClure untersuchte gemeinsam mit Kollegen der schottischen Universität Edinburgh, dem Rochester Institute of Technology und dem kroatischen Stadtmuseum Sibenik die mittel- und jungsteinzeitliche Siedlung Danilo Bitinj nördlich von Split an der kroatischen Mittelmeerküste. Dort fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Scherben von Keramikgefäßen aus dem Neolithikum, die bei der jungsteinzeitlichen Käseproduktion im Einsatz waren.

Unter den Fundstücken befanden sich Teile eines Gefäßes, das der Aufbewahrung gedient haben dürfte, und eine Art Sieb zum Abtropfen der Molke. Die chemischen Analysen der Rückstände auf diesen Scherben zeigten, dass es sich dabei um fermentierte Milch, also Käse, und nicht um frische Milch handelte. „Wir haben wenig Informationen, wie der Käse so geschmeckt hat, allerdings können wir aufgrund der Laboranalysen sagen, dass es wahrscheinlich Frischkäse war, also so etwas wie ein Bauernkäse oder ein Feta“, so die Anthropologin im Gespräch mit science.ORF.at.

Einige Tongefäße aus dem dalmatischen Neolithikum

McClure et al., 2018

Einige Tongefäße aus dem dalmatischen Neolithikum

Käse war verträglicher als Milch

Während Milch im Neolithikum eher eine Kindernahrung gewesen sein dürfte, war Käse vermutlich ein wichtiges Nahrungsmittel für Erwachsene. Denn die frühen Bauern der Jung- und Mittelsteinzeit sind genetischen Untersuchungen zufolge häufig laktoseintolerant gewesen und haben Milch nicht gut vertragen.

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„Joghurt und Käse sind für Menschen, die Milchzucker nicht gut vertragen, weitaus verdaulicher als Milch“, erklärt McClure. Damit habe ein größerer Teil der Bevölkerung von den Vorteilen des Nahrungsmittels „Milch“ profitieren können, schreiben die Wissenschaftler in der Studie, die soeben im Fachmagazin „PLOS ONE“ erschienen ist.

Die Anthropologen gehen davon aus, dass die Menschen damals etwa im Alter von zehn Jahren diese Unverträglichkeit voll entwickelten. Für Säuglinge und kleine Kinder dürfte frische Milch ein wichtiges Nahrungsmittel gewesen sein. „Milch ist nährstoffreich, eiweißreich und gleichzeitig wenig keimbelastet“, so McClure. Die Anthropologin und ihre Kollegen glauben, dass die neolithische Milchwirtschaft die Säuglingssterblichkeit verringern und die Lebenserwartung der Erwachsenen verlängern konnte.

Die Ausgrabungsstätte in Kroatien

Andrew M.T. Moore

Die Ausgrabungsstätte in Kroatien

Käse half bei der Ausbreitung

Die Funde aus Kroatien zeigen auch, wie schnell sich die Landwirtschaft vor fast 8.000 Jahren in Europa ausgebreitet hat. Denn es gibt ähnliche Funde aus Polen, die zeigen, dass auch die Bauern in Zentraleuropa Käse produziert haben. „Da sehen wir, dass diese ersten Bauern in verschiedenen Regionen bereits eine spezialisierte Käseproduktion hatten.“

Weil tierische Milch laufend verfügbar war, konnten die Frauen auch früher abstillen - so weit die Hypothese von McClure und ihren Kollegen. Die Frauen konnten schneller erneut schwanger werden, und das habe den demografischen Wandel begünstigt. Ein Anstieg bei den Geburten und eine niedrigere Säuglingssterblichkeit hätten zu einer stärker wachsenden Bevölkerung geführt, was schließlich auch eine Ausbreitung der Bauerngesellschaft in den kühleren Norden möglich machte.

Ob es sich dabei um die Anfänge der Käseproduktion handelt, ist jedoch nach wie vor unklar. Menschen hätten schon ohne Keramik, etwa mit Beuteln aus Haut oder Gedärm, Käse erzeugen können. Doch die Überreste einer solchen prähistorischen Käseproduktion müssten sich im Lauf der Zeit vollkommen zersetzt haben. „Über eine Käseproduktion vor der Mittelsteinzeit können wir bis jetzt nur mutmaßen“, sagt McClure.

Marlene Nowotny, Ö1-Wissenschaft

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