Ackerbau und Karies vor 5.000 Jahren

An der Atlantikküste Südamerikas ernährten sich Menschen schon vor 5.000 Jahren mit Süßkartoffeln und bekamen davon Karies. Dies lässt auf einen ursprünglichen Ackerbau in der Region schließen, wie Forscher berichten.

Ein Team um Andre Colonese von der Universität York (Großbritannien) untersuchte 1.345 Zähne und die dazugehörigen Kieferknochen von 70 Menschen aus zwei Fundstellen (Morro do Ouro und Rio Comprido), die vor 5.600 bis 3.700 Jahren an der Atlantikküste im Süden des heutigen Brasiliens gelebt haben.

Studie

”Middle Holocene plant cultivation on the Atlantic Forest coast of Brazil?”, Journal of the Royal Society Open Science, 12.9.2018

Sie gehörten einer Kultur an, die der Nachwelt vor allem Hügel vorwiegend aus Muschelschalen namens „Sambaquis“ hinterließen. „Das sind bis zu 70 Meter hohe Bauten, die über Jahrhunderte gebaut worden sind und die oft hunderte von klar strukturierten Grabstätten mit unterschiedlichen Grabbeigaben enthalten“, erklärt Studienmitautorin Sabine Eggers vom Naturhistorischen Museum Wien gegenüber science.ORF.at. Von der Kultur hat man aber auch Steinwerkzeuge wie etwa Axtklingen und Mahlsteine sowie Skulpturen gefunden.

Einige der untersuchten Zähne mit Kariesspuren

André Carlo Colonese et al, Journal of the Royal Society Open Science

Einige der untersuchten Zähne mit Kariesspuren

Sesshafte Fischer-Jäger-Sammler

Durch Isotopenanalysen des Zahnmaterials konnten die Forscher feststellen, dass sich die Menschen ungefähr zur Hälfte von Fischen und Meeresfrüchten ernährt haben, ein Drittel pflanzliche Nahrung war und auch gelegentlich Säugetiere und Vögel verzehrt wurden. „Man bezeichnet sie deshalb als ‚Fischer-Jäger-Sammler‘“, so Eggers gegenüber der APA. Sie waren offensichtlich sesshaft und haben auch schon Pflanzen wie Maniok und Süßkartoffeln angebaut, denn ohne solche kohlenhydratreiche Früchte hätten sie nicht so kariöse Zähne gehabt.

Bis zu 80 Prozent von ihnen hatten zumindest in der obersten Schicht, dem Zahnschmelz, Karies. Bei vielen reichte er tiefer ins darunterliegende Dentin und bei bis zu einem Viertel der Individuen betraf er sogar die Zahnpulpa, wo sich die Nerven befinden. „Dies ist tiefer Karies, der wehtut, stinkt, und zu Abszessen im Knochen führen kann“, erklärte Eggers. Außerdem hatten viele dieser Menschen Löcher zwischen „Nicht-Mahlzähnen“, was oft bei sehr kohlenhydratreicher und damit kariesauslösender Ernährung passiert.

Sambaqui-Menschen reisten viel

Die schlimmsten Karieslöcher hatte eine junge Frau vom Fundort Morro do Ouro, die sich in ihrer Kindheit und Jugend (von zwei bis zwölf Jahren) im Gegensatz zu den anderen Individuen dort fast ausschließlich pflanzlich ernährte. Später verzehrte sie auf einmal genau wie diese viel Fisch. Warum, ist nicht ganz klar. Möglicherweise hat die junge Frau geheiratet und ist in das Dorf ihres Mannes gezogen, oder Ähnliches. „Wir wissen von den Sambaqui-Leuten, dass sie manchmal tausende Kilometer weit reisten“, so Eggers.

science.ORF.at/APA

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