Voodoo-Puppen gegen den Chef

Achterbahnen helfen gegen Nierensteine und Voodoo-Puppen gegen schlechte Chefs und Chefinnen: Das sind nur zwei kuriose Forschungsresultate, die vergangene Nacht an der US-Eliteuniversität Harvard mit den Ig-Nobelpreisen ausgezeichnet worden.

Die traditionell schrille Gala mit mehr als 1.000 Zuschauern fand bereits zum 28. Mal statt. Wie jedes Jahr reisten für die Nacht zum Freitag auch diesmal echte Nobelpreisträger an.

Die undotierten Ig-Nobelpreise sollen „erst zum Lachen und dann zum Denken anregen, das Ungewöhnliche feiern und das Fantasievolle ehren“. Zwischendurch fliegen bei der so ganz anderen anderthalbstündigen Preisverleihung Papierflieger durch die Luft, es gibt Sketche und bizarre Kurz-Opern. Die Ig-Nobelpreise („ignoble“ heißt auf Deutsch „unwürdig“) wurden diesmal in Form eines Papierherzens verliehen.

„Dank gebührt Patienten“

Wissenschaftler aus den USA bekamen den Preis in der Kategorie Medizin, weil sie versucht hatten, durch Achterbahnfahren Nierensteine schneller auszuscheiden. „Die eigentliche Anerkennung gebührt aber einem meiner Patienten“, sagte Forscher David Wartinger in seiner Dankesrede. Dieser sei bei einem Besuch in einem Vergnügungspark immer wieder Achterbahn gefahren und habe danach jeweils einen Nierenstein ausgeschieden. Daraufhin hätten er und sein Kollege Marc Mitchell sich der wissenschaftlichen Erforschung des Themas angenommen, sagte Wartinger.

Der deutsche Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle überreicht den Ig-Nobelpreis an David Wartinger

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Der deutsche Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Ketterle (re.) überreicht den Ig-Nobelpreis an David Wartinger

Ein Forscherteam erhielt den Preis in der Kategorie Biologie für den Nachweis, dass Weinexperten durch Geruch verlässlich nachweisen können, ob sich in ihrem Weinglas eine Fliege befindet. „Wenn eine weibliche Fruchtfliege von einem Glas voll Wein angezogen wird, dann ist das traurig für die Fliege, weil sie ertrinken wird“, sagte Wissenschaftler Paul Becher. „Es ist aber auch traurig für den Besitzer des Weinglases, denn der Geruch der Fliege wird den Wein verderben. Wir wissen nicht, warum Menschen in der Lage sind, diesen Geruch zu erkennen - aber wir wissen, dass es nicht darum geht, dass wir uns zu Fliegen hingezogen fühlen sollen.“

Menschen machen Schimpansen nach

Ein anderes Forscherteam wurde in der Kategorie Anthropologie ausgezeichnet - dafür, dass sie in einem Zoo nachgewiesen hatten, dass Schimpansen Menschen etwa genauso oft und genauso gut imitieren wie Menschen Schimpansen.

Forscher aus Kanada, China, Singapur und den USA erhielten den Preis in der Kategorie Wirtschaft für ihre Untersuchung, ob es effektiv für Arbeitnehmer ist, Voodoo-Puppen gegen übergriffige Chefs zu verwenden. Die Antwort sei Ja, sagte Wissenschaftlerin Lindie Hanyu Liang. „Die Menschen fühlen sich viel besser danach, sie fühlen sich, als ob Gerechtigkeit wiederhergestellt worden ist.“ Zudem nutzte die Forscherin die Gelegenheit, um sich bei ihrem früheren Chef zu bedanken - „weil er mir alles darüber beigebracht hat, wie man mit übergriffigen Chefs umgeht“.

Portugiesische Wissenschaftler bekamen den Preis in der Kategorie Chemie, weil sie analysierten, wie gut sich menschliche Spucke als Putzmittel für schmutzige Oberflächen eignet. „Ich weiß, es klingt unwahrscheinlich, aber menschliche Spucke ist wirklich ein gutes Putzmittel, zumindest für einige Oberflächen“, sagte Forscherin Paula Romao. Ein Wissenschaftler aus Japan wurde in der Kategorie medizinische Bildung geehrt für seinen Bericht „Darmspiegelung im Sitzen: Lehren aus Selbst-Darmspiegelung“.

Zeremonienmeister Marc Abrahams wirft einen Papierflieger, im Hintergrund sein menschlicher Scheinwerfer

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Zeremonienmeister Marc Abrahams wirft einen Papierflieger, im Hintergrund sein menschlicher Scheinwerfer

Vorteile des Kannibalismus

In der Kategorie Literatur wurden Forscher für den Nachweis ausgezeichnet, dass die meisten Menschen, die komplizierte Produkte benutzen, die Gebrauchsanweisung nicht lesen. In der Kategorie Ernährung wurde ein britischer Wissenschaftler geehrt, der berechnete, dass die Kalorienaufnahme bei einer Ernährung ausschließlich mit Menschenfleisch deutlich geringer ist als die Kalorienaufnahme bei den meisten anderen traditionellen Ernährungsweisen mit Fleisch.

Forscher aus Spanien und Kolumbien analysierten die Häufigkeit, Motivation und Auswirkungen von Schreien und Fluchen beim Autofahren - und erhielten dafür den Preis in der Kategorie Frieden. Ein internationales Wissenschaftlerteam benutzte Briefmarken um herauszufinden, ob das männliche Geschlechtsorgan richtig funktioniert - und erhielt die Auszeichnung in der Kategorie Fortpflanzungsmedizin.

Moderator Marc Abrahams, Herausgeber einer wissenschaftlichen Zeitschrift zu kurioser Forschung, beendete die Gala wie immer mit seinen traditionellen Abschlussworten: „Wenn Sie dieses Jahr keinen Ig-Nobelpreis gewonnen haben, und besonders dann, wenn Sie einen gewonnen haben: mehr Glück im nächsten Jahr!“

science.ORF.at/dpa

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