Zu teuer für die Allgemeinheit

Ein sehr wirksamer, patentgeschützter Wirkstoff gegen Hepatitis C kostet in Österreich 30.000 Euro. Ein Einspruch am Europäischen Patentamt dagegen wurde soeben abgelehnt. Eine Expertin warnt: Diese hohen Preise kann sich das Gesundheitssystem nicht mehr lange leisten.

Vor einigen Monaten haben „Ärzte ohne Grenzen“ und andere Medizinorganisationen beim Europäischen Patentamt Einspruch wegen eines geschützten Hepatitis-C-Medikamentes eingelegt. Denn Sofosbuvir, so der Name des Wirkstoffs, wird in Europa für sehr hohe Preise angeboten.

Einspruch vom Patentamt abgelehnt

In Ländern wie Indien oder Kenia, die das Patent nicht anerkennen, kostet eine achtwöchige Therapie mit Sofosbuvir weniger als einhundert Euro. In Europa verlangt der Hersteller „Gilead“ laut eigenen Angaben 30.000 Euro dafür. Dabei dürfte es auch weiterhin bleiben, denn das Europäische Patentamt hat den Einspruch abgelehnt. „Gilead“ behält mit seinem Patent auf Sofosbuvir die Monopolstellung in Europa.

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Das ist nur ein Beispiel von vielen, sehr teuren Medikamenten, deren Preisgestaltung nicht nachvollziehbar sei, sagt Claudia Wild, Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Health Technology Assessment. „Solche Therapiepreise sind inakzeptabel, und in einer demokratischen Gesellschaft muss offen gelegt werden, wie es zu diesen Preisen kommt“, so Wild.

Preisgestaltung muss transparent werden

Mittlerweile gebe es nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Politik scharfe Kritik an der intransparenten Preisgestaltung der Pharmafirmen, so Wild. Denn die Industrie würde in Europa stark von der öffentlich finanzierten Grundlagenforschung und der medizinischen Infrastruktur profitieren. „Und diese ganzen Arbeitsschritte entlang der Medikamentenentwicklung gilt es offenzulegen“, meint Wild.

Wild, die u.a. in den Bereichen der Technikfolgenabschätzung und Sozialmedizin forscht, arbeitet in einem Projekt gerade daran, sämtliche Kosten bei der Medikamentenentwicklung offenzulegen und zwar anhand einzelner Präparate. Das ist etwa bei US-Unternehmen möglich, weil die gesetzlich dazu verpflichtet sind, ihre Finanzierungen offenzulegen, sobald öffentliche Gelder im Spiel sind.

Pharmazeutische Industrie widerspricht

Sofosbuvir sei ein gutes Beispiel für eine solche nicht nachvollziehbare Preisgestaltung, meint Wild. Ursprünglich hatte das Pharmaunternehmen „Gilead“ die Lizenz für den Wirkstoff, der unter dem Namen Sovaldi als Medikament vermarktet wird, für elf Milliarden Euro gekauft. „Diese Summe wurde bereits nach sechs Monaten erwirtschaftet“, erklärt Wild. Die Preise seien wegen des Patentschutzes aber nach wie vor exorbitant hoch.

Der Verband der Pharmazeutischen Industrie Österreichs, Pharmig, kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Das Patentrecht sei dazu da, solche Innovationen vor Nachahmung zu schützen. „Dieser Schutz des geistigen Eigentums stellt die Grundlage für jedes forschende Unternehmen dar, um weiterhin durch Forschung innovative Produkte auf den Markt zu bringen“, heißt es von der Pharmig.

Hinter verschlossenen Türen

Claudia Wild argumentiert wiederum, dass das Patentrecht den Marktbedingungen angepasst werden müsse: Bei Wirkstoffen mit einem großen Absatzmarkt müssten die gesetzlichen Grundlagen neu gestaltet werden, auch weil der Verkauf der Produkte in einem geschütztern Rahmen stattfinde. „Die Firmen bewegen sich ja nicht am freien Markt, sondern am Solidarmarkt“, so Wild. Denn die Kostenträger müssten die steigenden Kosten gegenüber der Öffentlichkeit rechtfertigen können.

Ein Umstand, der in einigen europäischen Ländern zu noch intransparenteren Vorgehensweisen von Gesundheitsbehörden und Pharmaindustrie geführt hat. Gerade bei Chemotherapeutika zur Krebsbehandlung werden Preisverhandlungen immer öfter unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt, oft mit sogenannten Risk-Sharing-Agreements.

Das heißt, die Krankenkassen oder Institutionen zahlen abhängig vom Therapieerfolg. Wie hoch die Kosten dann tatsächlich sind, bleibt unter Verschluss. „Und auch die medizinischen Ergebnissen, die man für die Wissenschaft brauchen würde, fallen unter diese Geheimhaltung und gehen damit verloren“, so Wild.

Marlene Nowotny, Ö1-Wissenschaft

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