Wo es außerirdisches Leben geben könnte

Sind wir allein im Universum? Diese Frage diskutieren Wissenschaftler ab Sonntag beim europäischen Kongress der Planetenforscher in Berlin: Als Favoriten für die ganz große Entdeckung gelten die Jupiter- und Saturnmonde.

Die Jupitermonde Europa, Kallisto und Ganymed besitzen Messungen zufolge unterirdische Ozeane, die geschätzte 100 Kilometer tief sein könnten. Diese gigantischen Ozeane könnten jeweils mehr Wasser enthalten als alle Meere der Erde zusammen und lebensfreundliche Bedingungen bieten. Mit der Raumsonde „Juice“ (Jupiter Icy Moons Explorer) will die europäische Raumfahrtagentur ESA diese verborgenen Meere genauer untersuchen.

„Sollten wir feststellen, dass die Eismonde potenziell bewohnbare Orte sind, öffnet das eine neue Tür für die Untersuchung von Leben im Universum“, betont „Juice“-Projektwissenschafter Olivier Witasse von der ESA.

Verborgene Ozeane

Die Raumsonde soll 2022 starten und 2029 im Jupitersystem eintreffen. „‚Juice‘ hat die Aufgabe, die Existenz der Ozeane zu bestätigen und sie hinsichtlich ihrer Dicke und Tiefe, ihres Ausmaßes und ihrer Zusammensetzung wie beispielsweise des Salzgehalts genauer zu charakterisieren“, sagt Witasse. Im Zentrum der Untersuchungen steht Ganymed, der größte Mond im gesamten Sonnensystem.

Die Eismonde von Saturn und Jupiter sind vermutlich nicht die einzigen Orte mit unterirdischen Ozeanen in unserem Sonnensystem. „Auch Pluto und sein Mond Charon gelten als gute Kandidaten, ebenso der Neptunmond Triton“, betonte Witasse. „Verborgene Ozeane sind möglicherweise häufiger, als wir denken.“

Favorit Enceladus

Einer der heißesten Kandidaten für die Suche nach außerirdischem Leben in unserem Sonnensystem ist der Saturnmond Enceladus. Der Mond wird auf seiner Bahn von den Gezeitenkräften des Saturn regelrecht durchgeknetet, dadurch wird der dicke Eispanzer seiner Oberfläche regelmäßig gedehnt und gestaucht.

„Das Ausmaß der Dehnung zeigt, dass das Eis auf einer flüssigen Schicht schwimmt“, erläutert Nicolas Altobelli vom Astronomiezentrum (ESAC) der ESA in Madrid. Während die Hinweise für einen verborgenen Ozean zunächst am Südpol des Saturntrabanten am deutlichsten waren, gehen Forscher inzwischen davon aus, dass sich das unterirdische Meer um den gesamten Mond zieht.

Geysire auf Enceladus

NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute

Fontänen auf Enceladus

2005 hatte die US-europäische Raumsonde „Cassini“ entdeckt, dass Enceladus Eis- und Dampffontänen ins All speit, die vermutlich von dem unterirdischen Ozean gespeist werden. „Bei Enceladus sind wir sehr nahe daran gewesen, den Ozean direkt zu untersuchen, weil wir mehrfach durch die Fontänen hindurchgeflogen sind“, berichtet Altobelli, der an der Mission beteiligt war. „Die Analyse zeigte kleine Silikatpartikel in den Eiskörnchen aus dem Mond. Das bedeutet, dass das Wasser bei Temperaturen von 90 bis 100 Grad Celsius in Kontakt mit Felsgestein am Ozeanboden sein muss.“

Ähnlichkeit zu Tiefseequellen

Der Nachweis von molekularem Wasserstoff (H2) untermauert die These, dass eine Oxidierung des Gesteins am Ozeanboden stattfindet. „Bislang ist Enceladus der einzige Mond im Universum, bei dem wir einen Ozean mit hydrothermaler Aktivität gefunden haben“, sagt der ESA-Wissenschaftler. Der unterirdische Ozean besteht den Untersuchungen zufolge aus Salzwasser mit einem relativ hohen pH-Wert von neun bis zehn.

Die Bedingungen klingen relativ ungemütlich, erinnern tatsächlich jedoch an einige der artenreichsten Orte der irdischen Tiefsee: An Hydrothermalquellen und sogenannten Schwarzen Rauchern am Meeresboden wimmelt Leben, das ganz ohne Sonnenlicht auskommt und seine Energie auf chemischem Weg bezieht. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Leben dort sogar einst entstanden ist.

Schwarze Raucher in der Tiefsee

NOAA

Schwarzer Raucher in der Tiefssee

Könnte dies auch auf Enceladus geschehen sein? In den Eisfontänen des Saturnmonds sind die Forscher auch auf große Makromoleküle gestoßen, wie Altobelli erläutert. „Das bedeutet noch nicht Leben, aber zumindest findet eine Form organischer Chemie statt.“ Auf organischen, also Kohlenstoff-Verbindungen baut alles bekannte Leben auf. „Zusammen mit anderen Eismonden wie Europa ist Enceladus momentan der aussichtsreichste Ort in unserem Sonnensystem für die Suche nach Leben, wie wir es kennen.“

Die direkte Suche beginnt erst

Die direkte Suche nach lebensfreundlichen Bedingungen oder sogar Leben wird Nachfolgemissionen von „Cassini“ und „Juice“ vorbehalten bleiben. Die Analysen hätten jedoch Bedeutung weit über unser Sonnensystem hinaus, meinte Altobelli.

„Cassini“ habe gezeigt, dass unterirdische Ozeane durch die Reibungswärme der Gezeitenkräfte eines großen Gasplaneten dauerhaft existieren können. „Es sind zahlreiche Exoplaneten - Planeten bei anderen Sternen - von ähnlicher Größe wie Jupiter und Saturn entdeckt worden, und es gibt jede Menge Wasser in der Galaxie“, betont der Wissenschaftler.

„Auf der Suche nach extraterrestrischem Leben muss man also nicht unbedingt in den bewohnbaren Zonen anderer Sterne nach erdähnlichen Planeten mit flüssigem Wasser an der Oberfläche Ausschau halten. Eismonde sind möglicherweise die häufigsten potenziellen Lebensräume in der Galaxie.“

science.ORF.at/dpa

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