Digitalisierung klärt Herkunft von Raubkunst

Woher kommen Gemälde oder kunsthandwerkliche Gegenstände? Wem gehörten sie einst? Wurden sie geraubt? Diese Fragen beantwortet die Provenienzforschung in mühsamer Kleinstarbeit – Digitalisierung macht bisher unmögliche Rückschlüsse möglich.

Eine Zeichnung aus dem 16. Jahrhundert, vermutlich vom italienischen Künstler Giovanni da Udine angefertigt, liegt seit 1939 im heutigen Österreichischen Museum für angewandte Kunst MAK. Gekauft wurde sie damals beim Auktionshaus Adolf Weinmüller. Doch wem sie zuvor gehört hatte, wusste Leonhard Weidinger, Provenienzforscher im MAK im Auftrag der Kommission für Provenienzforschung bis vor Kurzem nicht.

Der Fall Berolzheimer

Dass es sich um Raubkunst handelt, wurde vermutet, konnte aber nicht nachgewiesen werden, sagt Weidinger: „Weinmüller hat nach dem Krieg behauptet, alle Unterlagen sind in den Kriegswirren verschwunden.“ 2013 tauchten Teile von Weinmüllers Auktionskatalogen in München wieder auf. Da konnte die Herkunft von vielen Kunstwerken geklärt werden.

Zeichnung von Giovanni da Udine

MAK

Zeichnung von Giovanni da Udine

Doch erst vor wenigen Monaten, als die Kataloge fertig digitalisiert wurden, wurde klar: Die italienische Zeichnung stammt aus der Sammlung von Michael Berolzheimer. Von den Nazis als Jude verfolgt musste Michael Berolzheimer 1938 in die USA flüchten und seine Grafiksammlung verkaufen, erklärt Weidinger: „Die Restitution an die Erben dürfte in Kürze abgewickelt werden.“

Dezentrales Wissen zusammenführen

Das ist nur eines von vielen Beispielen: Jedes Archiv und jede Forschungseinrichtung hat eine eigene Datenbank - teilweise digital, teilweise nicht. Wenn es darum geht, hunderttausende Karteikarten oder Datensätze zu sichten, dann ist die Wissenschaft auf die Technik angewiesen. Sind die Daten digitalisiert und kompatibel, können sie die Provenienzforschung enorm vereinfachen, sagt Dorothee Haffner, Kunsthistorikerin und Museums-EDV-Expertin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 21.9., 13:55 Uhr.

Haffner ist für den Workshop „digitale Provenienzforschung“ in Wien. Hier kommen Historikerinnen, Kunsthistoriker und IT-Fachleute aus dem deutschsprachigen Raum zusammen - um an einem gemeinsamen Digitalisierungsprojekt zu arbeiten.

Die Datenlage ist sehr vielschichtig, erklärt Haffner: „Es gibt Daten zu verschiedenen Personen, zu den Objekten, auch zu den Ereignissen: Wann ist welches Kunstwerk verkauft worden? Welche Auktionen haben in welchem Zeitraum stattgefunden? Welche Kunsthändler haben bei welchen Einlieferern Kulturgut gekauft? In welchen Ausstellungen waren welche Kunstwerke?“ Und diese ganzen Daten hängen alle miteinander zusammen, sagt Haffner: „Die Herausforderung ist aber, die Beziehungen der Daten untereinander abrufbar zu machen.“ Das Ziel formuliert Leonhard Weidinger so: „Wir haben die Daten, aber wir müssen sie zum Leben erwecken.“

Katharina Gruber, Ö1-Wissenschaft

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