Wie Magnetfelder schaden und nutzen

Schwache Magnetfelder sollen einerseits der Gesundheit schaden, bei manchen Krankheiten aber heilsam sein. Forscher finden nun eine Erklärung für die bisher umstrittenen Wirkungen: in einem Protein, das Zugvögeln bei der Orientierung hilft.

Starke Magnetfelder wirken auch auf biologische Systeme. Das macht sich unter anderem die transkraniale Magnetstimulation zunutze (bei einer magnetischen Flussdichte von 1,5 Tesla). Dabei werden Nervenzellen im Gehirn stimuliert bzw. gehemmt. Eingesetzt wird die Technik in der Hirnforschung und zur Behandlung von neurologischen Erkrankungen wie Parkinson oder anderen Bewegungsstörungen.

Aber auch weitaus schwächere Magnetfelder (null bis zwei Millitesla) werden seit langem in der Therapie verwendet, etwa bei Osteoporose oder Multipler Sklerose; ganz allgemein sollen damit Heilungsprozesse angestoßen werden. Diese Wirkungen sind aber sehr umstritten, nicht nur weil ein solches Magnetfeld für elektromagnetische Induktion viel zu schwach ist. Die Studienlage ist dünn. Und ein molekularer Mechanismus, der die Wirkung erklären könnte, ist bisher unbekannt.

Umstritten ist neben den möglichen positiven Effekten auch die Schädlichkeit schwacher Magnetfelder, Stichwort Elektrosmog. Während manche Studien in der Nähe von Starkstromleitungen z.B. ein erhöhtes Risiko, an Leukämie zu erkranken, orten, finden andere keinen Beleg für einen Zusammenhang. Auch hier könnte die Entdeckung eines zugrundeliegenden Mechanismus die zwiespältige Faktenlage auflösen.

Magnetische Orientierungshilfe

Eine solche Erklärung könnten die Forscher und Forscherinnen um Rachel Sherrard von der Sorbonne Université nun gefunden haben: Sogenannte Cryptochrome sollen für die Wirkungen verantwortlich sein. Die Flavoproteine finden sich in zahlreichen Organismen. Sie sind ein wichtiger Teil der inneren Uhr. Zugvögel können sich mit ihrer Hilfe am Erdmagnetfeld orientieren. Diese Cryptochrome sollen an der Entstehung von „Sauerstoffradikalen“ (Reaktive Sauerstoffspezies) beteiligt sein.

Für seine Laborstudie verwendete das Team gepulste schwache Magnetfelder, mit einer Frequenz von zehn Hertz und einer Flussdichte von 1,8 Millitesla - das ist etwa 36-mal stärker als das Erdmagnetfeld, aber schwächer als ein Kühlschrankmagnet (fünf Millitesla). Die Feldstärke entspricht ungefähr der maximal zulässigen Belastung am Arbeitsplatz (laut der International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection ICNIRP, ein privater Verein). Getestet wurden die Wirkungen an Fruchtfliegen, an Maus- sowie menschlichen Zellen.

Positive und negative Wirkungen

Die Fruchtfliegen versuchten das Magnetfeld zu vermeiden, außer wenn die Cryptochrome genetisch unterdrückt worden waren. D.h., die Tiere umgehen das Feld gewissermaßen instinktiv. Und in den Zellexperimenten führte das Magnetfeld tatsächlich zu einer vermehrten Bildung von Sauerstoffradikalen, so die Forscher. Das Zellwachstum verlangsamte sich und die Genaktivierung veränderte sich.

Das könnte jedenfalls die schädlichen Wirkungen erklären, aber auch die positiven, wie der nicht an der Studie beteiligte Forscher Daniel Kattnig von der University of Exeter gegenüber dem Science Media Center (SMC) erklärt: „So kann der Effekt im Prinzip abhängig von der Feldstärke und Frequenz reaktive Sauerstoffspezies sowohl begünstigen als auch unterdrücken. Es kann also sowohl positive wie auch negative Wirkungen geben, abhängig von den Rahmenbedingungen.“ Sauerstoffradikale können zudem bei der Bekämpfung von Krankheitserregern helfen, so der Chemiker. Vorausgesetzt die Ergebnisse sind wahr - d.h. sie lassen sich in unabhängigen Studien überprüfen - ließe sich damit also erklären, warum schwache Magnetfelder schaden, in der medizinischen Behandlung aber auch nützen können. Es handle sich jedenfalls um einen wichtigen neuen Ansatz, um zu verstehen, wie schwache Felder wirken. Noch seien aber viele Detailfragen ungeklärt.

Und es gibt Zweifel an der Qualität der Studie. In einem Begleitkommentar zum Artikel betonen Lukas Kandler und David Keays vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) zwar, dass die Standards im Vergleich zu früheren Studien aus diesem Bereich deutlich höher sind. Es gebe aber nach wie vor Schwächen. Härter fällt die Kritik von Alexander Lerchl von der Jacobs University in Bremen gegenüber dem SMC aus. Wegen mangelhafter Angaben „könnte er solche Experimente gar nicht reproduzieren.“ Die Kontroverse rund um magnetische Wirkungen dürfte mit der nun veröffentlichten Arbeit jedenfalls noch nicht beendet sein.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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