Chemienobelpreis für Evolution im Labor

Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an die US-Amerikanerin Frances Arnold, ihren Landsmann George Smith und den Briten Gregory Winter. Ihnen gelangen Durchbrüche bei der künstlichen Evolution von Molekülen.

Frances Arnold schaffte es erstmals, Enzyme gezielt in eine gewünschte Richtung zu entwickeln. Solche Enzyme werden heute für die Herstellung zahlreicher Stoffe genutzt, etwa Biokraftstoffe und Pharmazeutika. Arnold ist die fünfte Frau, die mit dem Chemienobelpreis ausgezeichnet wird.

George Smith entwickelte eine Methode, bei der Bakteriophagen - Viren, die Bakterien infizieren - genutzt werden, um neue Proteine entstehen zu lassen. Dieses Phagen-Display genannte Verfahren nutzte Gregory Winter zur Produktion neuer Pharmazeutika.

Die drei Nobelpreisträger/innen im Fach Chemie

APA/AFP/TT News Agency/Jonas EKSTROMER

Die Nobelpreisträger und Nobelpreisträgerin im Fach Chemie

Arnold, Smith und Winter hätten „die Kontrolle über die Evolution erlangt“ und diese zum „größten Nutzen der Menschheit“ eingesetzt, heißt es in der Begründung des Nobelkomitees.

Darwin im Reagenzglas

„Sie haben die Prinzipien von Darwin ins Reagenzglas eingeführt“, sagte Glaes Gustafsson, Chef des Nobelkomitees für Chemie. Es sei ihnen gelungen, den Evolutionsprozess durch Mutation und Selektion zu beschleunigen - und so neue Molekültypen zu erschaffen. „Die Natur hatte dafür Milliarden Jahre Zeit. Im Labor ist so etwas nun innerhalb von Wochen möglich“, sagte Sara Snogerup Linse, ebenfalls Mitglied des Nobelkomitees für Chemie.

Der Nobelpreis für Chemie ist derzeit mit umgerechnet rund 870.000 Euro (9 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert. Die feierliche Übergabe der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.

„Coole“ Methode

„Als absolute Vorreiterin in dem Gebiet“ habe Arnold die Idee gehabt, die Mechanismen der Evolution nicht dafür zu nützen, dass der Organismus besser angepasst wird und länger überlebt, sondern dafür, „einfach die Reaktion, die wir wollen, besser zu katalysieren“, kommentierte der Chemiker Nuno Maulide von der Universität Wien die diesjährige Preisvergabe.

Bei Enzymen habe Arnold zufällige Erbgutveränderungen angestoßen, alle Mutanten danach in einer Reaktion ausprobiert, die verbesserten Varianten ausgewählt - und diesen Vorgang wiederholt. Nach wenigen solcher Runden komme in der Regel ein Mutant heraus, der die gewünschte Reaktion hocheffizient ablaufen lässt, erklärte Maulide. Mittlerweile könne man auf diesem Weg „verrückte Reaktionen“ mit Enzymen ablaufen lassen, für die es vorher Metallkatalysatoren brauchte: „Frau Arnold hat das evoluiert - das ist großartig.“ Zukünftig könnten Enzyme vielleicht sogar chemische Abläufe ermöglichen, die auch Metallkatalysatoren nicht schaffen.

Die von Smith und Winter entwickelte „Phage-Display-Methode“, sei eine „sehr coole“ Methode für die Entwicklung neuer Moleküle, sagte die Mikrobiologin Renee Schroeder von den Max F. Perutz Laboratories. Das Prinzip: Phagen - also Viren, die Bakterien befallen - besitzen Oberflächenproteine, deren Sequenz im „Phagenkörper“ als Erbinformation gespeichert ist. Die beiden Forscher packten Milliarden von Zufallssequenzen in die Phagen - diese stellten daraus Proteine her und trugen sie gleichsam auf ihrer Oberfläche zur Schau. Smith und Winter fischten dann die Varianten mit den gewünschten Bindungseigenschaften heraus - und hatten damit auch das genetische Rezept zur Hand.

Seit 1901 wurde der Chemie-Nobelpreis an 177 verschiedene Forscher vergeben. Einer von ihnen, der Brite Frederick Sanger, erhielt ihn sogar zweimal. Unter den Preisträgern waren bisher vier Frauen, etwa Marie Curie 1911, die die radioaktiven Elemente Polonium und Radium entdeckt und ihre Eigenschaften untersucht hatte.

Preise für Immuntherapie und Laserforschung

Am Dienstag wurden Laserphysiker für die Entwicklung präziser Werkzeuge aus Licht zu Nobelpreisträgern gekürt. Eine Hälfte des Preises geht an Arthur Ashkin (USA). Er ist mit 96 Jahren der älteste Mensch, der je als Nobelpreisträger benannt wurde. Gerard Mourou (Frankreich) und Donna Strickland (Kanada) teilen sich die zweite Hälfte. Strickland ist erst die dritte Frau, die mit einem Physiknobelpreis ausgezeichnet wird.

Am Montag waren die Preisträger in Medizin bekanntgegeben worden: Der US-Amerikaner James Allison und der Japaner Tasuku Honjo erhalten die Auszeichnung für die Entwicklung von Immuntherapien gegen Krebs.

Am Freitag folgt die Bekanntgabe des diesjährigen Friedensnobelpreisträgers. Der Literaturnobelpreis fällt in diesem Jahr nach einem Skandal im Jurygremium aus. Dafür soll er 2019 an zwei Autoren vergeben werden.

Im vergangenen Jahr hatten Jacques Dubochet (Schweiz), der gebürtige Deutsche Joachim Frank (USA) und Richard Henderson (Großbritannien) den Chemienobelpreis erhalten. Sie entwickelten die Kryo-Elektronenmikroskopie zur hochauflösenden Strukturbestimmung von Biomolekülen. Sie zeigt im Detail, wo ein Medikament anbindet.

science.ORF.at/dpa

Die Chemienobelpreise der letzten Jahre: