Umarmen gegen Konflikte

Manchmal ist alles, was man braucht, eine Umarmung - das zeigt nun auch eine US-Studie. Ihr zufolge machen Umarmungen zwischenmenschliche Konflikte erträglicher.

Streit mit Freunden, Arbeitskollegen oder der Familie erzeugt bei den meisten Stress. Halten diese Konflikte und damit auch der Stress an, kann das sogar das Immunsystem und das Herz schwächen. Helfen könnte in diesem Fall eine Umarmung, das zeigt nun eine US-Studie. „Es aktiviert eine Kette von biologischen Mechanismen, die Stress reduzieren“, erklärt die Neurowissenschaftlerin Giorgia Silani von der Universität Wien, die sich die US-Studie für science.ORF.at angesehen hat und ebenfalls die Auswirkungen von Berührungen erforscht.

Weniger negative Emotionen, mehr positive

Zwar sahen sich die US-Forscher im konkreten Fall nicht die biologischen Wirkungen an. Sie beobachteten aber bei den mehr als 400 Teilnehmern, dass die Umarmung den Gefühlshaushalt an einem konfliktbehafteten Tag wieder etwas ins Lot bringt. Zumindest statistisch gesehen waren die negativen Gefühle etwas leiser und die positiven gestärkt, wenn die Person im Laufe des Tages eine Umarmung bekommen hat.

Zwei Männer umarmen sich

LOIC VENANCE / AFP

Werden die negativen Gefühle weniger, ist das ein Zeichen dafür, dass der Körper sich entstresst. „Es geht nicht darum, Konflikte zu vermeiden. Wir brauchen sie, um uns zu entwickeln. Es geht aber um die Frage, wie schnell man die Konflikte löst und wie schnell der Körper wieder in den Normalzustand kommt, wo man von keinen negativen Emotionen geplagt wird und positive Gefühle aufkommen können“, so Silani. Umarmungen scheinen dabei zu helfen. Aber auch darüber reden und den Konflikt lösen kann den Körper wieder in sein hormonelles und emotionales Gleichgewicht bringen.

Kein Unterschied zwischen Männern und Frauen

Einen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt es in Sachen Umarmung übrigens nicht. Beide Geschlechter reagierten in der US-Studie positiv auf körperliche Berührung. „Auch wir untersuchen gerade, was im Körper passiert, wenn er sanft berührt wird und haben ebenfalls keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen feststellen können“, bestätigt die Neurowissenschaftlerin der Uni Wien. Wenngleich sich in der US-Studie zeigte, dass Frauen öfter umarmt werden als Männer und auch intensivere Gefühle hatten, schreiben die US-Psychologen, die die Frauen und Männer über zwei Wochen hinweg täglich zu ihren Konflikten, Gefühlen und Umarmungen befragt hatten.

Unklar ist, von wem die Personen umarmt wurden. Das könnte nämlich einen Unterschied machen, meinen Silani sowie die US-Psychologen. Umarmt einen etwa der Partner oder die Freundin, mit dem bzw. der man sich gerade gestritten hat, könnte der positive Effekt vielleicht länger anhalten, als wenn einen ein Unbeteiligter oder sogar ein Fremder umarmt, der Umarmungen auf einer Free-Hugs-Tour verteilt.

Grund für diese Spekulation: Frühere Studien haben gezeigt, dass Umarmungen auch am nächsten Tag noch einen positiven Effekt hatten - in der US-Studie verebbten die positiven Gefühle am nächsten Tag wieder. Hier braucht es künftig genauere Untersuchungen. Die Stärke der Studie ist es aber, so Silani, dass die Psychologen nicht nur Versuche im Labor gemacht haben, sondern die Frauen und Männer über längere Zeit konsequent in ihrem Alltag „begleitet“ haben. „Hier entstand in den letzten Jahren eine komplett neue Herangehensweise, die uns Aufschluss darüber gibt, wie sich Berührungen im Alltag wirklich auswirken.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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