Mit Astrophysik gegen Erbkrankheiten

Die Mukoviszidose ist zwar nicht heilbar, richtig behandelt kann man mit der erblichen Stoffwechselstörung heute aber einige Jahrzehnte leben. Eine Methode aus der Astrophysik soll nun die Suche nach der geeigneten Therapie erleichtern.

Mukoviszidose bzw. zystische Fibrose ist nicht sehr häufig, im Schnitt ist eine von 2.500 Personen betroffen. In Österreich werden pro Jahr 20 bis 30 Kinder mit dieser Erbkrankheit geboren. Insgesamt gibt es hierzulande derzeit zwischen 600 und 800 Patienten. Entscheidend ist, dass ein an Mukoviszidose Erkrankter von allen Behandlungen, die es heute gibt, jene bekommt, die den Fortschritt der Krankheit am wirksamsten aufhält. Um aber die Wirksamkeit verschiedener Medikamente und den Einfluss anderer Faktoren auf den Verlauf zu verstehen, braucht es verlässliche Langzeituntersuchungen, schreibt der Astrophysiker Seb Oliver von der University of Sussex auf dem Non-Profit-Medienportal The Conversation.

Solche epidemiologischen Untersuchungen scheitern aber oft an den verfügbaren Daten, besonders bei so seltenen Krankheiten wie der Mukoviszidose. Nachdem es vergleichsweise wenige Betroffene gibt, sind die nationalen Datensätze klein. Das Problem versucht man heute überregional zu lösen. Für Mukoviszidose sammelt das European Cystic Fibrosis Society Patient Registry Patientendaten aus ganz Europa. Sie enthält mittlerweile Daten von 42.000 Personen. Aber, wie Oliver weiter ausführt, diese unterscheiden sich stark hinsichtlich ihrer Qualität, und durch die Anonymisierung lässt sich oft nicht mehr klären, ob Daten zu ein- und denselben Patienten gehören - und ohne verlässliche sowie vollständige Langzeitdatensätze kann man keine Langzeitstudien machen.

Patienten wie Galaxien

Das Problem der eindeutigen Zuordnung kennen der Astrophysiker Oliver und seine Fachkollegen aus ihrer eigenen Disziplin, etwa wenn es darum geht, eine bestimmte Galaxie auf verschiedenen Teleskopaufnahmen zu identifizieren - denn je nach Auflösung und Technologie kann so ein Himmelsobjekt sehr unterschiedlich aussehen.

Die Forscher haben aber eine spezielle statistische Vergleichsmethode entwickelt, mit der sich die Wahrscheinlichkeit berechnen lässt, ob es sich tatsächlich um ein und dieselbe Galaxie handelt. Als Anhaltspunkte gelten etwa Wellenlängen, Rotverschiebung und Helligkeit. Zusätzlich weiß man, wie die verschiedenen Teleskope funktionieren. Auch das fließt in die Berechnungen ein.

Treffsichere Einschätzung

Auf ähnliche Art und Weise ließe sich auch die Wahrscheinlichkeit berechnen, mit der Daten zu ein und derselben Person gehören, wie Oliver und Kollegen nun in einer Studie vorschlagen. Als Parameter dienen in diesem Fall zum Beispiel das Alter, das Geschlecht und bestimmte genetische Merkmale. Als Zusatzindikator verwenden die Forscher unter anderem den BMI (Body-Mass-Index), von dem man weiß, wie er sich bei Betroffenen typischerweise entwickelt.

Überprüft wurde die statistische Einschätzung mit dänischen Patientendaten, die im Vergleich zu anderen Ländern sehr transparent sind - tatsächlich konnten die zu einem Patienten gehörenden Daten mit hoher Treffsicherheit identifiziert werden, schreiben die Forscher. Wie immer - wenn es um personenbezogene Daten geht -, müsse man natürlich auch rechtliche und ethische Fragen bedenken. Laut den Forschern müssen aber zusammenhängende Datensätze nicht notwendigerweise die Identität preisgeben. Für die Untersuchung seltener Krankheiten wie Mukoviszidose könnte die neue Methode jedenfalls einen großen Fortschritt bedeuten.

Zähflüssiger Schleim

Bei der Stoffwechselstörung können Sekrete des Körpers nicht genug Wasser binden. Dadurch sind sie besonders schleimig („mucus“, lateinisch für „Schleim“) und zähflüssig. Das kann zu diversen Beeinträchtigungen führen, oft kann etwa der Bronchialschleim nur schwer abgehustet werden. Patientinnen und Patienten leiden daher häufig unter Infekten bis hin zu schweren Lungenentzündungen.

Die Behandlungsmöglichkeiten der unheilbaren Erbkrankheit haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Früher starben die meisten Betroffenen bereits im jugendlichen Alter. Ein Neugeborenes kann heute bei optimaler Betreuung mit bis zu fünf Lebensjahrzehnten rechnen.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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