Gesunder Mäusenachwuchs mit zwei leiblichen Müttern

Zwei leibliche Mütter oder zwei leibliche Väter - chinesische Forscher haben jetzt mit Hilfe von modifizierten embryonalen Stammzellen erstmals gesunde Nachkommen gleichgeschlechtlicher Mäuseeltern geschaffen.

Ohne Sex, ohne Vater, aber dafür mit viel Biotechnologie konnten Forscher um Baoyang Hu vom Institut für Zoologie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften 29 Mäusejunge zeugen, die nur Mütter haben. Schon bei früheren Studien hatte man Nachkommen gleichgeschlechtlicher Elternteile geschaffen, allerdings war der Nachwuchs oft kränkelnd oder starb bald, oder man wählte eine umständliche Methode, in der man erst weibliche Klone eines von zwei Vätern kreiert.

Von Anfang an geprägt

Der Durchbruch des Teams aus China ist, dass man nun die natürliche Zeugung auf grundlegender Ebene besser nachvollziehen kann. Man hat nun insgesamt drei Regionen am Genom bestimmt, die man in den embryonalen Stammzellen ausschaltet, um die richtige sogenannte genomische Prägung auszulösen, auch Imprinting genannt: In einem komplexen Vorgang werden bei der natürlichen Fortpflanzung im Erbgut der Ei- und Samenzellen jeweils einige Gene stillgelegt – sind beide Genvarianten in einem Organismus aktiv, führt das zu Problemen.

Für eine gesunde Entwicklung ist das richtige genomische Imprinting essenziell, wie der Stammzellengenetiker Martin Leeb von den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien erklärt. Das chinesische Team konnte jetzt ein drittes Gen auszumachen, das dabei offenbar eine Rolle spielt. Ein kleiner Unterschied, der aber eine ganze Kaskade von Vorgängen auslöst. Die bearbeitete embryonale Stammzelle übernimmt dabei sozusagen die Rolle des Spermiums und befruchtet die Eizelle.

Eine der Mäuse, die von zwei leiblichen Müttern stammt, mit ihrem eigenen Nachwuchs

Leyun Wang

Eine der Mäuse, die von zwei leiblichen Müttern stammt, mit ihrem eigenen Nachwuchs

Embryonale Stammzellen machen es möglich

Martin Leeb selbst hat übrigens als einer der ersten die sogenannten haploiden embryonalen Stammzellen hergestellt, mit denen diese Studie unter anderem arbeitet – das sind solche Stammzellen, die wie eine Keimzelle nur einen halben Satz des Erbgutes in sich tragen.

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Interessant war das damals aus einem ähnlichen Grund wie jetzt die Studienergebnisse: Man kann so einfacher mit Genvarianten experimentieren und die Veränderungen vorab prüfen. Mit der Möglichkeit, bereits die Quasi-Keimzellen zu modifizieren, könne man nun vermutlich komplexe Systeme schaffen und testen, meint Martin Leeb.

Weniger gute Väter

Die Mäusejungen zweier Mütter waren nicht nur gesund, sondern hatten sogar eigenen Nachwuchs. Das chinesische Team hat allerdings auch Mäuse gezeugt, die nur Väter haben - mit weitaus weniger Erfolg. Sie starben nach wenigen Tagen. „Warum man aus rein männlichen Informationen nur ungesunde lebende Organismen erzeugen kann, ist noch nicht klar. Da gibt es sicher noch eine zugrundeliegende, komplexe Genregulation“, sagt Martin Leeb.

Zudem braucht man dazu immer noch eine weibliche Leihmutter und Eizellenhülle, in die das Erbgut eingefügt wird. Obwohl: Auch die Arbeit an künstlichen Eizellen ist mittlerweile recht fortgeschritten, sagt Martin Leeb. Das muss also die Gedankenspielereien über eine Zukunft mit solchen Fortpflanzungstechnologien nicht weiter stören.

Isabella Ferenci, Ö1-Wissenchaft

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