Geprügelte Kinder werden eher gewalttätig

Bekommen Kinder weniger Prügel, sind sie als Jugendliche weniger gewalttätig. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie mit Daten aus 88 Ländern. Darunter ist auch Österreich, wo v.a. männliche Jugendliche relativ viel Gewalt erleben – trotz Züchtigungsverbots.

Die Forscher um den Psychologen Frank Elgar von der McGill University in Montreal (Kanada) haben in ihrer Untersuchung bereits vorhandene Studien zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ausgewertet, in denen auch nach der Häufigkeit von Prügeleien gefragt worden war. Laut dem UNO-Kinderhilfswerk (UNICEF) sind weltweit 17 Prozent der Jugendlichen im vorangegangenen Monat zumindest einmal Opfer von körperlicher Züchtigung in der Schule oder zu Hause gewesen.

„Mehrere unabhängige Studien haben einen Zusammenhang zwischen dem Erleiden körperlicher Züchtigung im Kindesalter und aggressivem Verhalten, psychischen Problemen, Schwierigkeiten in der Schule und an Universitäten, kognitiven Defiziten und Wohlbefinden belegt“, schrieben die Autoren.

Drei Arten von Staaten

Die Wissenschaftler stützten sich in ihrer aktuellen Untersuchung auf Daten von zwei großen internationalen Studien aus den vergangenen Jahren (HBSC bzw. GSHS) und ergänzten diese um einige landesweite Erhebungen (insgesamt Daten von 403.604 Jugendlichen). Die Staaten wurden in drei Kategorien eingeteilt: Länder ohne Verbot von physischen Strafen in Schule und Familie (20), Länder mit einem Verbot ausschließlich in der Schule (38) und Länder mit einem generellen Züchtigungsverbot (30, darunter Österreich).

Die Gesetzeslage in Österreich ist eindeutig: In Paragraf 137 ABGB ist ausdrücklich festgelegt, dass die Anwendung jeglicher Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides in der Erziehung verboten ist. Es handelt sich um ein absolutes Gewaltverbot und ist auch in der Verfassung verankert. Als gewalttätig stuften die kanadischen Wissenschaftler diejenigen Jugendlichen ein, die angaben, in den vergangenen zwölf Monaten an vier oder mehr körperlichen Auseinandersetzungen beteiligt gewesen zu sein.

Costa Rica, Portugal und Finnland am friedlichsten

Im Durchschnitt aller Länder waren 9,9 Prozent der männlichen und 2,8 Prozent der weiblichen Jugendlichen regelmäßig in Prügeleien verwickelt. Diese Anteile reichten von 0,86 Prozent der Mädchen in Costa Rica bis 34,78 Prozent der Buben in Samoa. Nimmt man derartige Gewalt aus Ländern ohne Verbot der Prügelstrafe als 100 Prozent an, dann lag der Anteil der gewalttätigen männlichen Jugendlichen in Ländern mit Verbot sowohl in der Schule als auch zu Hause bei einem Wert von 69 Prozent (minus 31 Prozent) bei den Burschen und bei 42 Prozent (minus 58 Prozent) bei den Mädchen.

Unter den 30 Staaten, in denen es ein generelles Züchtigungsverbot gibt, lag Costa Rica an der besten Position, gefolgt von Portugal und Finnland. Bei den weiblichen Jugendlichen hatten dort extrem wenige Gewalterfahrungen, bei den Burschen lag der Anteil bei fünf Prozent und darunter. Auch die weiblichen Jugendlichen in Österreich wiesen diesbezüglich wenig Belastung auf. Bei den Burschen waren es aber jedoch zehn Prozent, was sie ins untere Drittel der Skala mit 30 Staaten rutschen ließ. Männliche Jugendliche in Tunesien zeigten an letzter Stelle gar einen Wert von 30 Prozent.

Statistischer Zusammenhang

Andere Faktoren wie Waffengesetze, Mordrate, Elternerziehungsprogramme oder Wohlstand hatten hingegen wenig bis gar keinen Einfluss auf die Anzahl der prügelnden Jugendlichen, teilweise zur Überraschung der Wissenschaftler: „Wir gingen davon aus, dass wir in wohlhabenderen Ländern weniger Prügeleien finden würden“, schrieben sie, „aber in Kambodscha, Myanmar und Malawi fanden wir die geringste Häufigkeit von Prügeleien bei männlichen Personen und an beiden Enden des Spektrums eine Mischung aus einkommensschwachen und einkommensstarken Ländern.“

Mit Ausnahme von Ghana und Sambia sind männliche Jugendliche immer häufiger in gewalttätige Auseinandersetzungen involviert als weibliche, zeigte die Analyse. Teilweise sei der Unterschied erheblich. Weshalb das so ist, sei unbekannt, schrieben die Forscher. „Es könnte sein, dass männliche Personen im Vergleich zu weiblichen außerhalb der Schule mehr körperlicher Gewalt ausgesetzt sind oder durch körperliche Bestrafung von Lehrern anders betroffen sind.“

Dies müsse jedoch noch untersucht werden. Die Forscher betonten auch, dass die Studie nur eine statistische Beziehung zwischen Verbot der Prügelstrafe und Prügeleien unter Jugendlichen aufzeige. Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge seien damit noch nicht geklärt.

science.ORF.at/APA

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