Importierte Paradeiser können klimafreundlicher sein

„Regional“ ist nicht immer besser: Heimische Paradeiser haben einen viel größeren CO2-Fußabdruck als Paradeiser aus Spanien – und zwar dann, wenn sie aus einem mit fossilen Brennstoffen beheizten Glashaus stammen.

28 Kilogramm Tomaten isst jeder Österreicher durchschnittlich pro Jahr. Damit ist die Tomate Österreichs beliebtestes Gemüse. Woher die Tomate stammt und wie sie angebaut wird, hat dabei erhebliche Auswirkungen auf ihre Ökobilanz. Intuitiv würde man die regionale Tomate der importierten Tomate vorziehen.

Die Ökologin Michaela Theur

Juliane Nagiller, ORF

Michaela Theurl

Das stimmt hinsichtlich ihres CO2-Fußabdrucks nicht immer, wie Michaela Theurl, die am Forschungsinstitut für biologischen Landbau und am Institut für soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur Wien forscht, berechnet hat.

Heizungs-Emissionen ausschlaggebend

Die konventionellen Tomaten aus Österreich, die im Winter im Supermarkt erhältlich sind, stammen meist aus beheizten Gewächshäusern. „Werden diese Gewächshäuser mit fossilen Brennstoffen beheizt, dann ist der CO2-Fußabdruck pro Kilogramm Tomate etwa doppelt so hoch wie der spanischer Tomaten, die 2.000 Kilometer aus dem südlichen Almeria nach Österreich transportiert werden“, erklärt Theurl. Zwar ist der Transport der spanischen Tomate für mehr als die Hälfte ihres CO2-Abdrucks verantwortlich, dieser ist in Summe aber geringer als der Fußabdruck der österreichischen Tomate.

Hierbei ist es wichtig, die unterschiedlichen Heizungstechnologien zu unterscheiden. Öl und Gas würden einen großen Fußabdruck hinterlassen. „Die Simmeringer Tomate wird mittlerweile mit Fernwärme beheizt“, erklärt die Ökologin. Das sei bereits der richtige Weg. Noch besser für die Ökobilanz sei die Beheizung von Gewächshäusern auf Holzhackschnitzel umzustellen oder Thermalwärme zu nutzen – wie das zum Teil schon der Fall ist.

Bio hinterlässt einen kleineren CO2-Fußabdruck

Prinzipiell ist die Ökobilanz biologisch angebauter Tomaten besser als bei konventionellen Tomaten. „Biologische Tomaten müssen laut Bioverordnung in der Erde wachsen“, erklärt Michaela Theurl. Wohingegen konventionelle Tomaten auf künstlichen Substraten wie Steinwolle oder Kokosfaser wachsen und mit Hilfe von Nährlösungen versorgt werden.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichten auch die Ö1-Journale, 17.10., 12:00 Uhr.

Das alles schlägt sich in der Ökobilanz nieder. Beim Bioanbau werden die Pflanzen am Feld in einem Folientunnel großgezogen. „Diese Folie muss zwar auch alle fünf Jahre erneuert werden, der Materialverbrauch ist beim Bioanbau aber geringer.“ Man hat kein Gewächshaus, keine künstlichen Düngemittel und kein Substrat.

Bei der Ökobilanz werden die CO2-Emissionen eines Produktes während seines gesamten Lebensweges analysiert. Im Fall der Tomate hat Michaela Theurl etwa auch das Pflanzgut, seinen Transport und Torf-Anteil eingerechnet, ebenso den Wasserverbrauch und die klimaschädlichen Lachgasemissionen. Auch die Frage, ob das Gemüse gewaschen wird oder nicht und wie es dann verpackt und transportiert wird, schlägt sich in der Ökobilanz nieder. „Die Ökobilanz zeigt die Einsparungspotenziale auf und damit auch, wo man mit technologischem Wandel ansetzen müsste, wenn sich die Gesellschaft hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft transformieren möchte.“

Tomaten, im Hintergrund eine Dose

Juliane Nagiller, ORF

Langzeitwirkungen nicht vernachlässigen

Ein Ergebnis ihrer Untersuchung, hat sogar die Ökologin selbst überrascht. Die Tomaten, die im Sommer in Italien angebaut und zu Dosentomaten verarbeitet werden, steigen in puncto Ökobilanz besser aus als die im Winter im beheizten Glashaus angebauten österreichischen Tomaten. Die Dosenproduktion verursacht relativ viel CO2. Bei den italienischen Dosentomaten ist die Verpackung, also die Dose, mit fast 500 Gramm Kohlendioxidäquivalenten für mehr als die Hälfte des gesamten CO2-Ausstoßes verantwortlich.

ORF-Programmschwerpunkt

Im Rahmen des Programmschwerpunkts MUTTER ERDE widmet sich der ORF von 13. bis 19. Oktober dem Thema „Herkunft und Qualität von Lebensmitteln“.

Eine gute CO2-Bilanz bedeutet nicht automatisch Umweltverträglichkeit. Das lässt sich sehr gut am Vergleich zwischen Bioplastik und Obstsackerl aus Plastik festmachen. „Das Obstsackerl hat gute Hygieneeigenschaften, eine gute Reißfestigkeit und wird mittlerweile sehr effizient hergestellt“, sagt Michaela Theurl. Man brauche für die Verpackung eines halben Kilogramms Tomaten nur etwa drei bis vier Gramm Plastik. Das Bioplastik ist dicker und der Energieaufwand höher, aber die Folie ist biologisch abbaubar und verschmutzt im Gegensatz zum dünnen Obstsackerl nicht die Weltmeere. Energieeffizient oder doch lieber umweltverträglich – mit diesem Dilemma wird man aktuell als Konsument und Konsumentin allein gelassen.

Regional einkaufen mit Blick auf die Saison

Die Methode der Ökobilanzierung unterliegt bestimmten Richtlinien, was sie über Länder hinweg vergleichbar macht. Diese Vergleichbarkeit ist besonders im Hinblick auf Lebensmittellabels essenziell. „Solche Lebensmittel-Gütezeichen sind prinzipiell gut“, sagt die Ökologin Michaela Theurl. Trotzdem sind viele Konsumentinnen und Konsumenten überfordert, da es viele verschiedene Gütezeichen gibt. „Wichtiger wäre eine Bewusstseinsbildung. Man muss wissen, welche Produkte wann in Österreich saisonal angebaut werden.“ Denn Regionalität ist besonders nachhaltig und umweltverträglich, wenn sie Hand in Hand mit Saisonalität geht. Im konkreten Fall heißt das: in der kalten Jahreszeit lieber Kraut statt Paradeiser.

Juliane Nagiller, Ö1-Wissenschaft

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