100 Jahre KPÖ: Älter als die Erste Republik

Vor genau 100 Jahren, am 3. November 1918, wurde im Wiener Arbeiterbezirk Favoriten die KPÖ gegründet. Aber auch in den Ländern versuchte die Kommunistische Partei Fuß zu fassen: Ein neues Buch zeichnet ihre wechselvolle Geschichte am Beispiel Kärntens nach.

Am 12. November 1918 wird in Österreich der 100. Geburtstag der Republik gefeiert – und damit der Übergang von der Monarchie zur Demokratie. Im Rückblick ist bemerkenswert: In Österreich kommt es damals zu keiner Revolution, anders als in Ungarn und in Bayern, wo Sozialisten, Kommunisten und Bolschewiken von der russischen Oktoberrevolution inspiriert zu einer ebensolchen ansetzen - und Blut vergossen wird.

Das Buch

„Linksunten in Kärnten. Kommunisten und Kommunistinnen in Österreichs Süden“ von Daniel Jamritsch wurde vom Zukunftsfonds der Republik Österreich gefördert und ist im Eigenverlag erschienen. Dem Text sind die Biographien zahlreicher Mitglieder bzw. Funktionäre der KPÖ Kärnten beigefügt. Hier können Sie das Buch auch online lesen

Daniel Jamritsch

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Daniel Jamritsch

Aber: Noch vor der Ausrufung der Republik, genauer: am 3. November 1918, wird bereits die KPÖ gegründet. Damals noch als KPDÖ – als Kommunistische Partei Deutschösterreichs, so lautete ja zunächst die offizielle Bezeichnung für die Erste Republik. Der Historiker Daniel Jamritsch schildert in einem Interview, wie die Kärntner Kommunisten in der Frühzeit Mitglieder rekrutieren - und warum der Neuanfang nach dem Zweiten Weltkrieg scheitert.

science.orf.at: Herr Jamritsch, warum lohnt den anlässlich des 100. Geburtstags der KPÖ ein Blick auf die Parteigeschichte in Kärnten?

Daniel Jamritsch: Kärnten ist ein Spezialfall. Zum einen ist dort 1918 die Arbeiterklasse zahlenmäßig nicht gerade stark. Vor allem aber leben damals dort noch weitaus mehr Kärntner Sloweninnen und Slowenen als heute. Für viele von ihnen sind – auch aufgrund des wachsenden Assimilationsdruckens - die übrigen Parteien, die sich im Laufe der Ersten Republik zunehmend deutschnational ausrichten, keine Option mehr. Der Gründer der KP Kärnten, der Metallarbeiter Gregor Kersche, ist übrigens auch ein Kärntner Slowene. Er gerät 1917 als Soldat in russische Kriegsgefangenschaft, kehrt 1918 nach Kärnten zurück und beginnt mit der Arbeit. Das ist kein Einzelfall. Viele Kriegsheimkehrer aus Russland haben sich später in der KPÖ engagiert.

Die KPDÖ wird ja in Wien Favoriten, in einem Arbeiterbezirk, gegründet. Im Gegensatz dazu ist Kärnten ja stark agrarisch geprägt, wie wirkt sich das auf die politische Aufbauarbeit der KPÖ Kärnten aus?

Daniel Jamritsch: Zunächst gibt es ja in Kärnten zwei große Industriebetriebe, die jeweils rund 1.000 Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigen. Die Klagenfurter Tabakfabrik und die Bleiberger Berwerks Union. Das ist die eine Zielgruppe. Beim ersten Parteitag in Wien, im Februar 1919, zählt man rund 50 Mitglieder. Das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ist dabei fast ausgewogen. Gregor Kersche wendet sich aber ab Mitte der 1920er Jahre verstärkt auch an die Landarbeiter, die eigentlich in der Sozialdemokratie verankert sind. Er gründet innerhalb der Partei eine Agrarkommission. Sein politscher Schwerpunkt wird die Wohnungspolitik, das Verhindern von Delogierungen und Verjagen von Pfändern. Es kommt auch zu körperlichen Auseinandersetzungen mit Sozialdemokraten. Er wird mehrmals inhaftiert.

Gregor Kersche, Gründer der KP Kärnten, 1930 / Kommunistischer Jugendtag 1932

Rote Fahne /KJOE

Gregor Kersche, Gründer der KP Kärnten, um 1930 (li.) / Kommunistischer Jugendtag 1932

Wie erfolgreich ist die KPÖ Kärnten mit dieser Strategie?

Daniel Jamritsch: Der schnelle politische Erfolg bleibt aus. Das gilt auch für den Einzug in den Kärntner Landtag. Die Zahl der Mitglieder der KP Kärnten wächst erst 1934 drastisch an. Und zwar nachdem sich die mehrheitlich sozialdemokratische Arbeiterschaft gegen das Dollfuß-Regime erhebt. Die politische Führung der Kärntner Sozialdemokraten distanziert sich von den Arbeiterkämpfen in den Industriegebieten. Das verschafft der KPÖ nicht nur in Kärnten, sondern in ganz Österreich Zulauf.

Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich heute auch Wissen aktuell, 2.11.2018, 13.55 Uhr.

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Anfang der 1930er Jahre hatte die KPÖ Kärnten 800 Mitglieder. Und Ende 1934 waren es 1.500, also fast das Doppelte. Zwei Jahre später schätzen die Behörden den Mitgliederstand der KPÖ Kärnten auf 6.000 bis 7.000 Mitglieder. Ähnlich wie bei den Sozialdemokraten findet die Entwicklung übrigens in den Reihen der Kärntner Slowenen statt. Viele haben speziell ab diesem Bürgerkriegsjahr ihrer politischen Führung den Rücken gekehrt und sind der KPÖ beigetreten. Darunter etwa der spätere Partisanenkämpfer Karl Prušnik – Gašpar. Die KPÖ Kärnten tauscht sich regen mit den jugoslawischen Kommunisten aus, im Zweiten Weltkrieg leistet man gemeinsam Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

Nach 1945 folgt ein Neubeginn. Damals erlebt ja die KPÖ Kärnten eine kurze Hochphase. Warum bleibt das ihre einzige?

Daniel Jamritsch: Nach 1945 erhält sie eine Wahlempfehlung der Osvobodilna Fronta, der Slowenischen Befreiungsfront. Sie erzielt drei Mandate im Landtag und ist in einigen mehrheitlich slowenischsprachigen Gemeinden die stimmenstärkste Partei. Aber die slowenischen Mitglieder bzw. Wählerinnen und Wähler werden von der KPÖ Kärnten schnell wieder vergrault. Der Grund dafür ist das Zerwürfnis zwischen Josip Broz, Tito, dem Anführer des Sozialistischen Jugoslawien und Stalin im Jahr 1948. Dieses betrifft auch die Kärntner Frage. Tito erhebt ja Ansprüche auf Teile Südkärntens, auf das slowenischsprachige Gebiet. Die KPÖ Kärnten folgt aber der Linie Stalins und spricht sich dagegen aus.

Anzug und Krawatte: Aufmarsch der Kommunisten mit Fahnen

Stern Verlag Wien

1. Mai 1947, Aufmarsch in Klagenfurt; Dritter von links: Josef Tschofenig, Landesobmann der KPÖ Kärnten

Genau dieser Grenzstreit und damit verbundene politische Fragen werden zur Zerreißprobe für die KPÖ Kärnten, zwischen ihren ein- und ihren zweisprachigen Mitgliedern. Dazu kommen freilich der Kalte Krieg und die antikommunistische Propaganda. Aber der Vergleich zeigt: Innerhalb von vier Jahren, zwischen 1945 und 1949, verliert die KPÖ unter den slowenischen Wählern rund 62 Prozent der Stimmen, unter den deutschsprachigen hingegen knapp 31 Prozent. Die KPÖ Kärnten wird schnell zur isolierten Kleinpartei, auch wenn sie sich in den 1970er Jahren als einzige mehrheitlich deutschsprachig Partei für die Volksgruppenrechte der Kärntner Slowenen einsetzt.

Interview: Tanja Malle, Ö1-Wissenschaft

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