An der Spitze der Nahrungskette: Windräder

Im Umfeld von Windparks leben mehr und mutigere Echsen als anderswo. Die Erklärung für diesen seltsamen Befund: Windräder töten Raubvögel - und bringen dadurch das Ökosystem durcheinander.

Wenn Windparks als umweltschonende Alternative zu fossilen Brennstoffen gehandelt werden, ist damit vor allem das Klima gemeint. Wind verbraucht sich nicht und Emissionen entstehen in solchen Anlagen auch nicht. Gleichwohl ist damit nur die halbe ökologische Rechnung gemacht, denn die Rotorblätter sind für Vögel und Fledermäuse gefährlich. Letztere fühlen sich von den Windrädern sogar angezogen und meinen, es handle sich um Bäume - ein zumeist tödlicher Irrtum.

Ökologische Kaskade

Wie ein Team um Maria Thraker vom indischen Tata Institute in Bangalore berichtet, wurden die ökologischen Folgewirkungen des Vogelsterbens offenbar unterschätzt. In Windparks der Westghats, ein Gebirge im Westen Indiens, fanden die Wissenschaftler erwartungsgemäß deutlich weniger Greifvögel (etwa Bussarde und Habichte), auf dem Boden indes beobachteten sie Gegenteiliges, dort tummelten sich erstaunlich viele Echsen.

Kein Zufall, schließen die Forscher, hier zeige sich nämlich eine ökologische Wirkungskaskade: Die Dezimierung der Bussarde und Habichte mache sich auch in tieferen Etagen der Nahrungskette bemerkbar, weil den Echsen nun ihre natürlichen Feinde fehlen.

Windräder vor einer Bergkette

GABRIEL BOUYS / AFP

Die ökologischen Auswirkungen von Windparks sind noch weitgehend unerforscht

In die gleiche Richtung weist auch dieser Befund: Thraker und ihr Team stellten fest, dass die Echsen wenig Stresshormone im Körper hatten und auffällig spät die Flucht ergriffen, sofern sich ihnen Menschen näherten - wohl ebenfalls ein Zeichen von einem Leben mit geringem „Feinddruck“, wie das die Ökologen ausdrücken.

„Mangelndes Wissen, keine Gesetze“

Reinhard Klenke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, Leipzig, sieht zwar in der Argumentation der Forscher mögliche Lücken, attestiert der Studie aber grosso modo „einen gewissen Charme der Klarheit“. Ähnliche Folgewirkungen seien auch andernorts zu erwarten, etwa bei Watvögeln und Lerchen, die von Windkraftanlagen vertrieben werden.

Wie sich das auf deren Beute, Regenwürmer und Insekten, auswirke, sei schlicht unbekannt: "Auf Grund des mangelnden Wissens und Interesses gibt es keine Gesetze, die solche Untersuchungen fordern. Und weil es diese nicht gibt, werden diese Organismen bei Umweltverträglichkeitsstudien und Planungen ausgespart.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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