Wundersames Beinwachstum

Das Hormon Progesteron, dazu ein paar Seidenproteine - mit dieser Mixtur lässt sich die Neubildung amputierter Beine ankurbeln: Bei Fröschen zeigt die Methode erste Erfolge. Würde sie auch bei Menschen funktionieren?

Eine Planarie oder eine Seegurke müsste man sein. Jedenfalls, was ihre Fähigkeit zur Regeneration anlangt: Diese Tierarten kann man mit einem Messer in Stücke schneiden - woraufhin tatsächlich der Rest des Körpers wieder nachwächst. Derlei Kunststücke funktionieren freilich nur bei eher einfach gebauten Organismen, wenngleich sich auch aus „höheren“ Regionen des Stammbaumes beeindruckende Beispiele anführen ließen: Echsenschwänze, Krabbenklauen und Geweihe gehören zu jenen Organen, für die im Verlustfall ebenfalls körperlicher Ersatz bereitsteht, weil es die Natur so vorgesehen hat.

Hormonschub für den Frosch

Solche Begabungen besitzt der Krallenfrosch nicht, sagt Michael Levin, Entwicklungsbiologe an der Tufts University. Kommt dem Amphib ein Bein abhanden, wachse im besten Fall ein „dünner knorpeliger Dorn“ nach, mehr nicht.

Wie Levin und seine Kollegen im Fachblatt „Cell Reports“ berichten, lässt sich dieser Vorgang mit relativ einfach Mitteln ankurbeln. Die Forscher konstruierten einen mit Seidenproteinen und Progesteron gefüllten Bioreaktor und hefteten diesen an die Wunde von Fröschen, denen zuvor ein Bein amputiert worden war. Die Behandlung dauerte bloß 24 Stunden, dann warteten die Forscher neun Monate lang.

Krallenfrosch Xenopus laevis im Aquarium

Celia Herrera-Rincon/Tufts University

Versuchsobjekt: Krallenfrosch Xenopus laevis

Fazit nach Ende des Versuchs: Durch den Einfluss des Bioreaktors waren den Fröschen Fortsätze mit Knochen, Nerven und Blutgefäßen nachgewachsen. Zugegeben, wie ein echtes Bein sahen auch diese paddelförmigen Organe nicht aus. Gleichwohl waren sie dem angestrebten Vorbild deutlich näher, nicht zuletzt im Gebrauch: Die Versuchstiere konnten damit immerhin schwimmen, wie die Forscher in ihrer Studie schreiben.

Bioelektrischer Code?

Dass die Wissenschaftler Progesteron für ihre Versuche ausgewählt haben, ist kein Zufall. Das Hormon war schon früher bekannt für seine Wirkung auf regenerative Vorgänge aller Art, von der Nerven- und Wundheilung bis zum Wachstum von Blutgefäßen und Knochen. „Progesteron kann auch die elektrische Ladung von Zellen verändern, was bei der Entwicklung von Körperteilen eine Rolle spielt“, sagt Studienautorin Celia Herrera-Rincon. Sie und Levin vermuten, dass die Neubildung von Organen von einem noch unverstandenen bioelektrischen Code gesteuert wird.

Und dieser könnte, so zumindest die Hoffnung, auch bei der Anwendung der Methode auf Säugetiere, eventuell sogar Menschen, von Nutzen sein. Von Mäusen weiß man etwa, dass sie unter Laborbedingungen Fingerspitzen nachbilden können, nicht aber in freier Wildbahn. Warum? Weil die regenerativen Zellen durch das Auftreten auf den Boden Schaden nehmen, sagt Levin. „Die besten ‚Regenerierer‘ leben im Wasser“. Die Erfolge am Frosch auf Landtiere zu übertragen, das wäre das große Ziel. Man muss sich ja nicht gleich die Seegurke als Vorbild nehmen.

Robert Czepel, science.ORF.at

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