Historische Daten für alle

Durch die Digitalisierung lassen sich auch historische Daten für jedermann zugänglich machen. Ausgehend von einem Projekt, in dem Klosterurkunden online gestellt wurden, hat sich ein internationales Archivnetzwerk gebildet. ICARUS feiert sein zehnjähriges Bestehen.

Inzwischen zählt ICARUS 180 Partnerinstitutionen aus 34 europäischen Ländern, den USA, Kanada und dem Irak. Im Zuge des einstigen niederösterreichischen Projekts zu Klosterurkunden sei schnell klar geworden, dass es auch im benachbarten Ausland ähnliche Wünsche gibt. „So haben sich sehr schnell Kooperationen ergeben“, so der Präsident des Netzwerkes, Thomas Aigner, gegenüber der APA.

Bald betreute man eigene EU-geförderte Projekte und hatte Kontakt zu rund 60 Archiven aus ganz Mitteleuropa, die an dem Online-Urkundenportal interessiert waren. Um diesem eine rechtliche Basis zu geben, wurde 2008 der Verein ICARUS gegründet, zu dessen „Geburtstag“ nun rund 200 Personen aus 30 europäischen Ländern nach Wien kommen. Gleichzeitig findet aktuell auch die 38. Konferenz des European Board of National Archivists (EBNA), einem Zusammenschluss der europäischen Nationalarchive, statt.

Frei zugängliche Archive

Nach den ersten abgewickelten Projekten habe man sich auch als Koordinator zwischen Archiven und universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen für die Erschließung von Daten, Digitalisierung oder den Aufbau von Datenbanken etabliert - eine Art „internationale Partneragentur und Plattform für Kooperation“, so Aigner. So sind etwa im Rahmen der Plattform „Matricula“ mittlerweile über 26 Millionen Kirchenbuchseiten online frei zugänglich. Dort zähle man pro Jahr rund zehn bis zwölf Mio. Besucher - nicht nur Wissenschaftler, sondern etwa auch Privatpersonen, die ihren Stammbaum recherchieren.

Außerdem wurden bisher 213 „Topotheken“ eingerichtet, wo Menschen historische Dokumente zu bestimmten Orten zusammentragen. Das virtuelle Urkundenarchiv „Monasterium“ lockt mit über 600.000 mittelalterlichen und neuzeitlichen Urkunden aus zehn Ländern in etwa zwei bis drei Mio. Besucher im Jahr.

„Zeitmaschine“

Bisher wickelte man so 16 EU-Projekte mit einem Gesamtvolumen von rund 13 Mio. Euro ab. Diese Zahlen sollen sich aber in Zukunft deutlich erhöhen, denn im Verbund mit über 200 Archiven, Bibliotheken, Forschungsinstitutionen und Unternehmen möchte man eines der von der EU hoch dotierten „Forschungsflaggschiffe“ werden. Unter den Titel „Time Machine“ rittert man um eine Förderung von rund einer Milliarde Euro über zehn Jahre hinweg. Beginnen könnte das Vorhaben 2020 oder 2021.

Die Idee dahinter ist es, „grundlegende Technologien“ zu entwickeln, die es quasi ermöglichen, unterfüttert mit digital aufgearbeiteten historischen Informationen „durch die Zeit zu reisen“, sagte Aigner. Mit Big Data-Methoden und durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) sollen Systeme entstehen, mit denen sich jeder Nutzer geschichtliche Fragen beantworten kann. Mit dabei ist beispielsweise der Computerspieleentwickler Ubisoft, der etwa mit der Assassin’s Creed- oder der Far Cry-Spielereihe große Erfolge feiert.

Durch die Aufbereitung und automatische Übersetzungen würden historische Daten tatsächlich „für jeden zugänglich“, während bisher nur sehr wenige Forscher diese Informationen in Archiven ausgraben konnten. „Das hat durchaus Relevanz für das Alltagsleben der Menschen“, ist Aigner überzeugt. Nicht zuletzt böten offen zugängliche Daten im Sinne eines demokratisierten Zuganges immer Möglichkeiten, dass findige Start-ups neue Geschäftsmodelle und Produkte auf deren Basis entwickeln.

science.ORF.at/APA

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