Solidarität als politische Lösung

In der Arbeiterbewegung oder der christlichen Soziallehre war „Solidarität“ zentral. Mit ihr ließen sich auch aktuelle Probleme wie der Klimawandel lösen, so die Politologin Barbara Prainsack. Eine neue Forschungsgruppe erarbeitet nun konkrete Gestaltungsprinzipien.

„Wir glauben, dass man gerade systemischen Problemen, die verschiedene Politikfelder umspannen - etwa den Klimawandel, das Anwachsen des Populismus, Transformationen in der Arbeitswelt und im Gesundheitssystem - sehr gut mit dem Solidaritätsprinzip begegnen kann“, erklärt Prainsack im Gespräch mit der APA. Ziel der Forschungsgruppe „Zeitgenössische Solidaritätsstudien“ an der Uni Wien sei es, aktuelle Transformationsprozesse in der Welt zu verstehen, aber auch durch konkrete Lösungsvorschläge an der Politikgestaltung teilzuhaben. „Wir möchten nicht nur meckern und analysieren, sondern auch Vorschläge machen.“ Morgen, Donnerstag, stellt die neue Forschungsgruppe am Institut für Politikwissenschaft der Uni Wien ihre Arbeit bei einer Auftaktveranstaltung vor.

Hinweis

Auftaktveranstaltung der Forschungsgruppe „Zeitgenössische Solidaritätsstudien“ am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien: „Solidarität in Forschung und Praxis - warum jetzt?“, 15. November, 9.00-20.00 Uhr, Saal der Labstelle, 1., Wollzeile 1

Den Wissenschaftlern gehe es keineswegs um „Friede, Freude, Eierkuchen“-Rhetorik, betont Prainsack. Solidarität sei klar abgegrenzt von Begriffen wie Sympathie, Nächstenliebe, Empathie. Vielmehr gehe es darum, Unterschiede zu anderen Menschen kritisch zu reflektieren und dort, wo Ausschluss problematische Folgen hätte, die Gemeinsamkeiten handlungsleitend zu machen. „Das ist kein abstraktes Konzept, sondern daraus kann man praktische Handlungen ableiten, wie man Politikinhalte oder Institutionen gestalten will, und damit meine ich auch Steuersysteme, Gesundheitssysteme.“ Studien würden zeigen, dass sich die Anstrengung bezahlt macht: „Alle Performance-Kriterien für Gesellschaft - etwa Bildung, Gesundheit, Zufriedenheit - korrelieren mit stärkerer Solidarität und sozialer Kohäsion.“

Schwerpunkt Gesundheit

Ein Paradebeispiel ist für Prainsack das Gesundheitssystem als institutionalisierte Form der Solidarität: Hier könnte man die unterschiedlichen Gesundheitsrisiken jedes einzelnen gegeneinander aufrechnen. „Man kann aber auch sagen: Wenn es um die Grundbedürfnisse geht, sind wir alle einfach Menschen, die abgesehen vom Verhalten alle angeborene Gesundheitsrisiken und Schwächen haben. Und deshalb haben wir ein solidarisches System, wo alle, die können, mehr einzahlen und alle, die nicht können, weniger zahlen und alle etwas herausbekommen.“

Gesundheit ist denn auch einer der Schwerpunkte der Forschungsgruppe, vier der neun Mitglieder haben hier eine Spezialisierung. „Wir glauben, dass das eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft ist. Der Gesundheitssektor ist eine der größten Industrien weltweit und es gibt eigentlich relativ wenige Politologinnen und Politologen, die sich damit beschäftigen.“

Gegen den Zeitgeist

Die Idee für die Forschungsgruppe ist entstanden, als Prainsack als Reaktion auf den Brexit Großbritannien trotz lebenslanger Stelle am King’s College in London freiwillig den Rücken gekehrt hat. „Ich glaube, dass man hier in Österreich noch mehr bewirken kann als in Ländern, in denen die öffentlichen Hilfsstrukturen schon viel mehr abgebaut und erodiert sind.“

Die beste Zeit, um die Politik für mehr Solidarität zu begeistern, ist es laut Prainsack „im Moment gerade nicht“, versuchen will sie es dennoch. „In Österreich ist das sicher nicht besonders opportun, aber das ist kein Grund, es nicht zu versuchen.“ An der Auftaktveranstaltung nehmen neben den Mitgliedern der Forschungsgruppe die Autorin und Charity-Expertin Auma Obama und der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Peter Dabrock teil.

science.ORF.at/APA

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