Geologen und Meteorologen arbeiteten NS-Zeit auf

Die Geologische Bundesanstalt (GBA) und die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien haben als Beitrag zum Jubiläumsjahr 2018 ihre NS-Zeit aufgearbeitet. Die Ergebnisse werden in der Ausstellung „BergWetter 1938“ präsentiert.

In einer vom Bildungsministerium finanzierten Studie hat der Historiker Oliver Rathkolb mit Studenten dafür die Geschichte der beiden staatlichen Forschungseinrichtungen untersucht.

Die in beiden Anstalten gezeigte Ausstellung - jene an der GBA öffnet heute, jene an der ZAMG am 30.11 - geht anhand der beiden rund 170 Jahre alten Institutionen der Frage nach, wie Wissenschaft in Diktaturen praktiziert wird. „Sie verdeutlicht die radikale Unterordnung von Wissenschaft und Forschung unter die Zwecke von menschenverachtender Ideologie und Krieg“, so Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) in einer Publikation über die Ergebnisse der Aufarbeitung. Diese hat aber auch die individuellen Handlungsspielräume von Personen gezeigt, die ihre Stellung dazu benutzt haben, um politisch Verfolgte zu schützen.

Broschüre BergWelten 1938

GBA / Broschüre BergWelten 1938

„Geologische Bundesanstalt in Nazi-Klauen“

Die kriegswirtschaftliche Bedeutung der Geologie, insbesondere von Rohstoffen, zeigt sich etwa an der Tatsache, dass bereits vor dem „Anschluss“ 1938 eine Gruppe von Leobener Geologen illegal Informationen über österreichische Rohstoffvorkommen an das Deutsche Reich lieferten. Mit dem „Anschluss“ verlor die GBA ihren autonomen Status und wurde zur Zweigstelle Wien der Reichsstelle für Bodenforschung.

Ab 1941 übernahm der reichsdeutsche Geologe Franz Lotze die Leitung der Zweigstelle und leistete seinen Beitrag zur Umwandlung in eine „kriegsdienliche Forschungsstelle“, wie es in der Publikation heißt. Von den von März 1938 bis Anfang 1945 in den Dienst der Zweigstelle Wien getretenen 28 Geologen waren elf NSDAP-Mitglieder.

Ausstellungen

„BergWetter 1938“ an der Geologischen Bundesanstalt, 3., Neulinggasse 38; Eröffnung 15.11., 15.00 Uhr; an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, 19., Hohe Warte 38; Ausstellung ab 30.11.

Mitte April 1945, kurz vor Einmarsch der Roten Armee in Wien, verließ Lotze gemeinsam mit anderen reichsdeutschen Angestellten Wien und nahm die Anstaltskasse sowie wertvolles Kartenmaterial mit. „Geologische Bundesanstalt in Nazi-Klauen“ titelte „Das Kleine Volksblatt“ im September einen Artikel über diese Flucht, der Untertitel lautete: „Der ‚Herr Professor‘ stiehlt die Amtskasse“.

Lotzes Vorgänger, Heinrich Beck, der die Zweigstelle von 1938 bis 1941 kommissarisch leitete, hat dagegen den Recherchen zufolge seine Position dazu benutzt, Mitarbeiter vor der politischen Verfolgung zu schützen. Er erreichte etwa, dass der im Zuge des „Anschlusses“ abgesetzte GBA-Direktor Gustav Götzinger sowie die wegen Hochverrats angeklagte Direktionssekretärin Margarete Girardi an der Anstalt verbleiben konnten.

Wie sehr antisemitische Ressentiments bereits vor Machtergreifung der Nationalsozialisten vorherrschten, zeigt das Beispiel des Physikers Victor Conrad, der 1904 zum Leiter des neuen Erdbebendienstes der ZAMG ernannt wurde. Er bewarb sich 1923 für die vakante Lehrkanzel für Meteorologie und Geophysik an der Uni Graz, wurde aber nicht berücksichtigt, was die Berufungskommission folgendermaßen begründete: „Prof. Conrad ist Jude und seine Ernennung würde schweren Widerstand seitens der Grazer Studentenschaft begegnen...“

„Rassische“ Säuberungen an der ZAMG

Der „Anschluss“ hatte für die ZAMG tiefgreifende Folgen: Sie wurde dem Reichswetterdienst im Luftfahrtsministerium unterstellt, in der Folge der Wetter- und Klimadienst abgetrennt und die Anstalt in ein Forschungsinstitut umgewandelt. Der seit 1937 amtierende ZAMG-Direktor Heinrich Ficker kam eigenen Angaben zufolge aufgrund seiner „ausgesprochen antinazistischen Einstellung“ von Berlin nach Wien, wurde aber rasch mit den Eingriffen durch das NS-Regime konfrontiert. So gab es im Zuge sogenannter „rassischer“ Säuberungen Beurlaubungen und Versetzungen in den Ruhestand, wobei sich Ficker für einzelne entlassene Mitarbeiter einsetzte.

Für Faßmann zeigen diese persönlichen Geschichten, „dass die individuelle Verantwortung der einzelnen Personen wesentlich ist. Heute würden wir sagen, es geht um Menschlichkeit, Mut, Zivilcourage.“

science.ORF.at/APA

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