Offener Brief für „Wohlstand ohne Wachstum“

Schluss mit dem ständigen Streben nach mehr Wirtschaftswachstum: Das fordern aktuell mehr als 200 europäische Forscherinnen und Forscher in einem offenen Brief, der im Rahmen einer Konferenz in Wien an EU-Verantwortliche übergeben wurde.

Der Nachhaltigkeitsforscher Tim Jackson von der britischen Universität Surrey war einer der Gäste der im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft veranstalteten Konferenz „Wachstum im Wandel“. Jackson ist bekannt für seine Forderung nach „Wohlstand ohne Wachstum“ - so lautet auch der Titel seines Buchs. Grob zusammengefasst fordert er darin ein System, das als oberstes Prinzip eine intakte Umwelt und eine gute Lebensqualität für alle Menschen verfolgt.

Menschen und Planet „first“, so auch sinngemäß die Forderung an die EU, die mehr als 200 Forscherinnen und Forscher unterschrieben haben. Konkret kritisieren die Ökonomen, Soziologinnen und Nachhaltigkeitsforscher, dass das wichtigste für Europas Staaten ein ständiges Wirtschaftswachstum sei. Aktuell habe dieses System zur Folge, dass immer mehr begrenzte natürliche Ressourcen verbraucht werden. „Es ist schlecht, weil es unseren Planeten zerstört, weil es eine riesige Ungleichheit schafft und weil es sozialen Fortschritt oder selbst Wohlbefinden nur wenig befördert“, sagt Jackson.

CO2-Steuern und neue Technologien

Konkret fordern die Forscherinnen und Forscher in dem Brief eine gerechtere Verteilung der Einkommen und des bereits vorhandenen Reichtums - etwa mit Hilfe einer progressiven Besteuerung, einem Grund- sowie Maximaleinkommen sowie eine schrittweise Verringerung der Arbeitszeit. Um die Ressourcennutzung zu bremsen, denken die Forscher an CO2-Steuern. Mit dem zusätzlichen Geld sollen etwa Sozialprogramme finanziert werden.

Neue Technologien sollen wiederum gezielt dafür verwendet werden, die Arbeitszeit zu verkürzen, ohne Stellen zu streichen. Dabei müsste sich auch das Selbstverständnis der Unternehmen ändern. „Sie sollten sich nicht um Profitmaximierung und die Zerstörung des Planeten kümmern, sondern wertvolle Dienstleistungen für die Gesellschaft anbieten“, so Jackson.

Auch sollte mehr öffentliches und privates Geld in nachhaltige Technologien, die soziale Infrastruktur und die Umwelt selbst investiert werden, um Ressourcen wie Metalle, Wasser, Wälder für künftige Generation aufrechtzuerhalten. Von Spekulationen auf Güter hält Jackson allerdings nichts. Wie ein System des “Wohlstands ohne Wachstum”, wie Jackson es nennt, konkret aussehen könnte, damit sollen sich laut den Forschern sowohl auf EU-Ebene als auch in den jeweiligen EU-Mitgliedstaaten Arbeitsgruppen auseinandersetzen.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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