Potenzial an FHs „nicht ausgeschöpft“

Seit Jahren sind die österreichischen Studierenden mehrheitlich weiblich - einzelne naturwissenschaftlicher und technischer Fächer ausgenommen. Ein neuer Gleichstellungsbericht zieht eine gemischte Bilanz: Je nach Bereich ist die Situation sehr unterschiedlich.

An den Universitäten ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Sachen Gleichstellung am meisten passiert, sagt eine der Autorinnen des Berichts „Gleichstellung in Wissenschaft und Forschung in Österreich“, die Soziologin Angela Wroblewski vom Institut für Höhere Studien IHS.

Überdurchschnittlich bei Professuren

Wroblewski nennt das Beispiel Quotenregelung, wonach bei gleicher Qualifikation Frauen als Professorinnen oder Assistentinnen bevorzugt werden müssen: „Die Hälfte der Mitglieder von universitären Gremien müssen Frauen sein. Wenn das nicht so ist, dann hat der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen die Möglichkeit, das zu beeinspruchen.“

Ö1-Sendungshinweis:

Über das Thema berichtet auch das Morgenjournal am 23.11.2018.

Außerdem bekommen die Universitäten den Großteil ihres Budgets vom Staat, und dieses Geld ist auch an Gleichstellungsmaßnahmen gekoppelt. Dass die Vorgaben wirken, belegt der vom Wissenschaftsministerium in Auftrag gegebene Bericht mit Zahlen: So sind seit 2005 annähernd gleich viele neu ausgeschriebene Stellen an Männer wie an Frauen gegangen, zur Professorenschaft etwa heißt es im Bericht: „Zusätzliche Stellen wurden (seit 2005, Anm.) im Durchschnitt sogar leicht überwiegend mit Frauen besetzt.“

Studenten in einem Hörsaal der WU in Wien

APA - Helmuth Fohringer

In den Geistes- und Kulturwissenschaften sind die Studierenden zu 71 Prozent weiblich, in den Naturwissenschaften zu 56 Prozent. Rechtswissenschaft studieren zu 54 Prozent Frauen, Ingenieurswissenschaften sind es 29 Prozent.

„Vergebene Chance“

Anders hingegen die Situation an den Fachhochschulen, deren Kapazitäten sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt haben. 34 Prozent der Lehrenden sind hier Frauen, aber, so der Bericht, „wären die zusätzlichen Stellen geschlechterparitätisch besetzt worden, so wäre der Anstieg noch größer, nämlich von 23 Prozent im Jahr 2005 auf 39 Prozent im Jahr 2016.“ Angela Wroblewski sieht hier eine „Expansionschance, die man vorbeigehen hat lassen“.

Den Grund ortet die Soziologin auch darin, dass für Universitäten verpflichtende Bestimmungen an den Fachhochschulen oft „Kann-Regeln“ sind: „Es gibt schon den Grundsatz, dass Gleichstellung zu berücksichtigen ist. Aber es gibt kaum Sanktionen, wenn er vernachlässigt wird.“

Neues Bild von Wissenschaft

Also an den Unis gleichstellungsmäßig alles hui, an den Fachhochschulen hingegen pfui? Ganz und gar nicht, so die Soziologin. Die Veränderungen an den Unis gehen langsam, vielen zu langsam. Derzeit sind noch immer drei Viertel der Professorenschaft männlich, prekäre, zeitlich befristete Stellen hingegen weiblich dominiert.

Und es bräuchte ein anderes Verständnis von Wissenschaft als Beruf: „Ein guter Wissenschaftler, eine gute Wissenschaftlerin lebt für die Wissenschaft und hat kein Leben außerhalb der Wissenschaft, ist rund um die Uhr verfügbar und durch nichts eingeschränkt. Dieses Bild wurde vor knapp 100 Jahren geprägt und bestimmt immer noch unser Denken. Das ist natürlich ein Bild, das Personen, die dem nicht entsprechen, stark benachteiligt.“ Etwa, wann jemand Kinder oder kranke Familienangehörige versorgt.

Hier sei die Hochschulpolitik gefragt - genauso wie bei den Fachhochschulen, wo die Politik die Finanzierung weiterer Studienplätze an Gleichstellungziele koppeln könnte, so die Soziologin Angela Wroblewski. Der Hebel wäre groß: Bis 2023 sollen mehr als 3.000 neue Plätze an Fachhochschulen entstehen.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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