Forscher machen Fliegen durchsichtig

Spektakuläres Experiment an der TU Wien: Wissenschaftler haben Fliegen mit Hilfe einer neuen Methode durchsichtig gemacht. Das Verfahren funktioniert auch bei Fischen und Molchen - und möglicherweise sogar bei Mäusen.

Wenn Öl auf eine Papierserviette tropft, wird der Zellstoff durchscheinend. Das hat mit der Lichtbrechung zu tun, das Fett verändert den Brechungswinkel und öffnet dem Licht eine Pforte durch das Gewebe. So etwas Ähnliches haben Forscher um den Neurowissenschaftler Marko Pende von der TU und der MedUni Wien nun mit Fliegen gemacht.

Das Prinzip: Man entferne mit Hilfe von Chemikalien alle optischen Barrieren im Fliegenkörper - in diesem Fall Lipide und Pigmente - und statte das Tier so mit dem passenden Brechungsindex aus. Wie die Forscher im Fachblatt „Nature Communications“ mit reichlich Anschauungsmaterial belegen, wird die Fliege dann tatsächlich durchscheinend.

Großaufnahme: transparent Fliege mit fluoreszierenden Neuronen

TU Wien

Fluoreszierende Neuronen im Inneren der Fliege

„Das kann man mit allen möglichen Geweben machen, beispielsweise auch mit Hühnerfleisch aus dem Supermarkt“, sagt Pende im Gespräch mit science.ORF.at. Ein transparentes Schnitzel wäre zweifelsohne eine Neuerung für die Molekulargastronomie, die Wissenschaftler haben freilich anderes im Sinne: Sie wollen mit Hilfe der neuen Methode eine Landkarte der Nervenzellen im Körper der Fliege erstellen. Und auf diese Weise die neuronalen Grundlagen des Verhaltens beschreiben. „Wir könnten auch Antworten in Bereichen finden, wo man bisher kaum eine Ahnung hat: Wie entsteht das Gedächtnis? Wo speichert ein Tier Information im Gehirn ab?“

So einfach die Idee scheinen mag, im technischen Detail ist das Prozedere mit beträchtlichem Aufwand verbunden. Um ins Innere der Fliegen blicken zu können, brauchen die Forscher zunächst ein mit Lasern betriebenes „Ultramikroskop“ sowie fluoreszierende Proteine, die den Fliegen zuvor ins Erbgut gesetzt wurden.

Folgt die transparente Maus?

Ein ähnlicher Ansatz könnte in Zukunft auch die Krebsdiagnostik revolutionieren. Wenn Mediziner überprüfen, ob ein Tumor bei einer Operation erfolgreich entfernt wurde, tun sie das heutzutage mit Gewebeschnitten. Im transparenten Gewebe wäre der Tumor noch viel besser erkennbar - Pendes Kolleginnen an der MedUni Wien arbeiten bereits daran.

Links die durchsichtig gemachte Fliege, in der Mitte ein Fluoreszenz-Bild, und rechts das Bild aus dem Ultramikroskop

TU Wien

Im Vergleich: Behandelte Fliege, Fluoreszenzbild und das Bild aus dem Ultramikroskop

Ebenfalls in Arbeit ist die Erweiterung des Verfahrens auf andere Arten. Beim Zebrafisch und dem Axolotl - zwei weiteren beliebten Modellorgansimen - habe das Experiment gut geklappt, erzählt Pende. Und selbst bei Mäusen wäre Ähnliches möglich. Bis es so weit ist, stehen den Forschern noch einige Hürden im Weg, vor allem Mikroskope stoßen bei dicken Geweben schnell an ihre Leistungsgrenze. Und da die per Laserstrahl abgetasteten Bilder am Computer zum 3-D-Modell zusammengesetzt werden, explodiert mit der Größe des Tiers auch das Datenvolumen. „Um das verarbeiten zu können, braucht man extrem leistungsstarke Rechner“, sagt Pende. „Ein normaler Computer würde bei dieser Aufgabe sofort abstürzen.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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