Die Katzenzunge als perfekter Kamm

Wenige Tiere sind so reinlich wie Katzen. Mit ihrer rauen Zunge halten sie ihr Fell sauber. Wie ein feuchter Kamm entfernt sie Schmutz und Verfilzungen - ein gutes Vorbild für menschliche Frisierhilfen, meinen Forscher.

Katzen verschlafen fast den ganzen Tag, bis zu 16 Stunden können es sein. Viel Zeit bleibt da nicht für Fressen, Spielen, Streicheln und vor allem für Fellpflege, die bei Hauskatzen mehrere Stunden in Anspruch nehmen kann. Mit der Zunge entfernen sie Flöhe und Schmutz. So verhindern die Tiere, dass die Haare verfilzen. Das wäre nicht nur unangenehm, sondern es könnten auch Infektionen entstehen. Außerdem kühlt das Putzen den Körper; Katzen besitzen nämlich nur sehr wenige Schweißdrüsen und die befinden sich auf ihren Pfoten.

Video: Katzenzunge beim Putzen

Im Detail gestaltet sich die Pflege nicht ganz einfach, denn das Fell besteht aus zwei Schichten, aus den schützenden Deckhaaren und der feinen und dichten Unterwolle, die vor allem wärmt. Die Reinigung gelingt dank hunderter winziger Stacheln auf der Zunge, den sogenannten Papillen. Lang dachte man, diese sind kegelförmig. Warum sie dann bei der Reinigung so effizient sind, war allerdings unklar.

Winzige harte Stacheln

Alexis C. Noel und David L. Hu vom Georgia Institute of Technology in Atlanta haben den Vorgang bei sechs Katzenarten nun genau untersucht: bei Hauskatzen, Luchsen, Berglöwen, Schneeleoparden, Tigern und Löwen. Verwendet haben die Forscherin und der Forscher dafür Hochgeschwindigkeitsfilme, computertomografische Aufnahmen und Modelle. Außerdem wurden die beim Putzen verwendeten Kräfte gemessen.

Katzenzunge in Nahaufnahme

Alexis Noel

Katzenzunge in Nahaufnahme

Die Reinigung besteht aus vier Phasen: Zuerst wird die Zunge rausgestreckt, dann dehnt sie sich auch zu den Seiten und wird hart. Sie wischt druckvoll über das Fell, beim Zurückziehen rollt sie sich ein. Während sich die Zunge ausdehnt, richten sich die Papillen auf. Denn je länger die kleinen Stacheln sind, umso tiefer reichen sie ins Fell. Der Vergleich zwischen den Katzenarten zeigte allerdings, dass sie im Schnitt immer etwas größer als zwei Millimeter sind, egal wie groß das Tier selbst ist. Außerdem sind die Papillen sehr hart, nämlich ähnlich hart wie menschliche Fingernägel - wer schon einmal eine Katzenzunge berührt hat, weiß, wie sich das anfühlt.

Reinigung und Kühlung

Das Forscherduo hat zur Veranschaulichung der Reinigungsmethode 3-D-Modelle der Papillen der unterschiedlichen Katzen erstellt. An der Zungenspitze haben sie die Form von kleinen Schaufeln, mit Hohlräumen an der Basis und an der Spitze. Diese können Feuchtigkeit bzw. Speichel aufnehmen. Experimente zeigen, wie sich ein Tropfen von der Basis blitzschnell zur Spitze verteilt. Der Speichel klebt gewissermaßen in der Schaufel fest und wird erst durch Fellkontakt wieder abgestreift. Pro Stachel ist es nur ein winziger Tropfen, aber der hilft bei der Reinigung. Insgesamt kommt die befeuchtete Papille viel weiter ins Fell als die Zunge alleine, im Optimalfall bis an die Wurzel der Fellhaare bzw. an die Haut. Ohne die schaufelförmigen Papillen würde der Speichel das Deckhaar hingegen nur oberflächlich befeuchten.

Besser funktioniert das, wenn die Haare kürzer sind. Besitzer von Rasse- bzw. Langhaarkatzen wie z.B. Perserkatzen kennen das Problem. Diese müssen regelmäßig, am besten täglich, gebürstet und manchmal sogar gebadet werden, weil ihre Zungen den Haargrund nicht erreichen können.

Mit einem maschinellen Nachbau der Katzenpflege stellten die Studienautoren fest, dass die Katze ihren Speichel tatsächlich gleichmäßig bis zu den Wurzeln verteilt. Das reinigt nicht nur mechanisch, der Speichel enthält auch Enzyme, die Blut und Verunreinigungen auflösen. Außerdem kühlt er die Haut. Hochgerechnet verteilen Hauskatzen täglich etwa 48 Gramm Speichel in ihrem Fell. Durch den kühlenden Effekt kann ein Temperaturunterschied zwischen Haut und Deckhaar um bis zu 17 Grad Celsius entstehen, so die Forscher.

Video: Zungen-inspirierte Pflegebürste

Mit ihrer peniblen und wirkungsvollen Reinigung könnten die Katzen ein gutes Vorbild für Frisierhilfen sein, dachten sich Noel und Hu. Also versuchten sie mit Hilfe der neuen Erkenntnisse eine „Katzenzungen-inspirierte Pflegebürste“ zu entwickeln. Tests zeigten: Der Prototyp der formbaren Bürste reinigt sanft und ist hernach selbst leichter zu reinigen als herkömmliche Haarbürsten.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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