Bauen mit Jeans und Plastikflaschen

Das Bauwesen verbraucht mehr als die Hälfte der weltweiten Ressourcen und verursacht riesige Müllhalden. Wie man nachhaltig bauen kann, zeigt der Architekt Werner Sobek: Seine recyclebare Wohneinheit fungiert als temporäres Materiallager und Materiallabor.

Zerrissene Jeans dienen als Wärmedämmung und alte Getränkeflaschen wurden zu einer Bad-Innenverkleidung verarbeitet: Das „Urban Mining & Recycling“-Wohnmodul (UMAR), das Werner Sobek entworfen hat, ist recycelbar. Gebaut wurde es am Campus der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt im schweizerischen Dübendorf. Bei der Planung stand der Kreislaufgedanke im Fokus. Die Baustoffe, die zum Einsatz kamen, mussten vollständig wiederverwendbar, wiederverwertbar oder kompostierbar sein.

Wiederverwenden und wiederverwerten

Das Tragwerk und die Fassade bestehen aus unbehandeltem Holz. Nach dem Rückbau kann dieses kompostiert oder wiederverwertet werden. „Die Türgriffe in unserem Gebäude waren früher Türgriffe in einer Bank in Brüssel“, erzählt Werner Sobek im Rahmen der ersten BAUCHTECH Talks in Wien. Im UMAR verbaut wurde auch ein alter Dachstuhl. Das Holz wurde zu kleinen Partikeln von fünf bis sieben Millimetern Länge zerschreddert. „Ähnlich, wie man sie in einer Spanplatte vorfindet“, meint Sobek. Dann wurden in diese Masse aus Holzbröseln Pilze injiziert. Versehen mit einer Nährstofflösung begannen diese ihre Myzelien, ihre Pilzfäden, in das Holz zu graben.

Bauprojekt UMAR

Zooey Braun

Das „Urban Mining & Recycling“-Wohnmodul UMAR

„Stoppt man die Ernährung und erwärmt die Masse kurz, damit die Pilze absterben, erhält man ein kompaktes Etwas, das man in Scheiben schneiden kann“, berichtet der Architekt und Ingenieur. Das Ergebnis sei Kunststoffplatten ähnlich und wurde im UMAR als Unterkonstruktion für einen Lehmputz verwendet. Insgesamt besteht die Wohneinheit zu 80 Prozent aus Rezyklaten, also aus wiederverwendeten und wiederverwerteten Materialien.

Ressourcenverbrauch eindämmen

335 Tonnen Baustoffe pro Kopf, so hoch sei der Verbrauch in Industrieländern, meint Werner Sobek, der das Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren an der Universität Stuttgart leitet. Ein großes Ressourcenproblem, denn Materialien wie Sand, Zink, Kupfer oder Zinn werden langsam knapp oder lassen sich nicht mehr effizient abbauen. Hinzu kommt, dass immer mehr Menschen auf der Erde leben, die Nachfrage nach Baumaterialien steigt. Industrieländer verbrauchen aktuell drei Mal so viel wie der Weltdurchschnitt.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 21.11. um 12:00

Man müsse zukünftig „recyclinggerecht“ bauen, fordert Werner Sobek. „Das funktioniert natürlich genau dann wunderbar, wenn die Baustoffe so miteinander verbunden sind, dass man sie einfach wieder trennen kann.“ So lassen sich Beton und Stahl relativ einfach voneinander lösen. Werden Baustoffe allerdings miteinander verklebt, kann man sie nur mit großem Energieaufwand voneinander trennen. Das Material muss auf den Sondermüll. „Daher sind solche Verbunde aus Recyclingsicht abzulehnen.“

Das Haus als Materiallager

Baumaterialien nach 100 Jahren aus der Bausubstanz entnehmen und wiederverwenden oder wiederverwerten, das ist Werner Sobeks Ziel. Häuser müssen Materiallager werden, die nur temporär Baumaterialien binden, meint er. „Wenn man tatsächlich am Ende des Lebens eines Gebäudes sagen kann: In diesem Gebäude sind 400 Tonnen wiederverwendbarer Baustahl, dann hat das einen Wert.“ Um das zu erreichen, müssen Rohstoffe sortenrein verbaut werden. Außerdem brauche es eine akribische Dokumentation: Welche Materialien wurden wo eingesetzt und wie können sie recycelt werden.

Die Baubranche müsse umdenken, sagt Werner Sobek. Denn die Bekämpfung des Klimawandels erfordere ein ressourcenschonendes und energieeffizientes Bauen. Wenn man will, könne man das innerhalb der nächsten zehn Jahre erreichen.

Juliane Nagiller, Ö1-Wissenschaft

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