NASA schickt Bakterien in die Stratosphäre

Es gibt kaum einen lebensfeindlicheren Ort als die Stratosphäre. Doch selbst hier wurden schon Bakterien nachgewiesen. Wie überleben die Mikroben dort? Das soll nun ein Experiment in 30 Kilometern Höhe klären.

Ort der Handlung: die McMurdo-Station in der Antarktis – ein Hafen, drei Flugplätze, ein Hubschrauberlandeplatz, einhundert Gebäude und eintausend Bewohner. Die National Science Foundation der USA betreibt hier seit den 60er Jahren eine Forschungsstation. Regelmäßig steigen von hier unbemannte Ballons auf.

Das Projekt

Und die will die US-Weltraumbehörde NASA nun mit etwas Lebendigem bestücken: Der nächste Ballon soll Mikroorganismen in die Stratosphäre tragen, sagt der Mikrobiologe David Smith vom NASA Ames Forschungszentrum. „Statt Proben aus den höheren Schichten der Atmosphäre zu entnehmen, werden wir welche nach oben bringen, sie später wieder zurückholen auf den Boden und dann ihre Reaktionen untersuchen.“

Per Anhalter in die Stratosphäre

Mit diesem Experiment wollen die Astrobiologen der NASA herausfinden, wie Bakterien dort oben überleben können. Schon mehrmals haben Höhenflugzeuge Proben der unteren Stratosphärenschichten entnommen. In ihnen haben Wissenschaftler Mikroben gefunden – tote, solche in Winterschlaf, aber auch lebendige. „Es wäre nicht korrekt, von einem Ökosystem zu sprechen“, schränkt Smith ein. „Es ist eher ein Biotop auf Zeit.“ Dort oben tummeln sich die gleichen Bakterien wie auf dem Boden, solche, wie sie an unseren Schuhen kleben oder wie sie im Garten vorkommen. Nur gibt es sie in der Stratosphäre in geringer Konzentration. Sie werden vom Wind dort hinauf getragen oder von anderen Mechanismen, die Auftrieb verleihen. Dazu gehören auch Flugzeuge, die außen, an ihrem Rumpf, Bakterien mit in die Höhe nehmen.

Forschungsballon der NASA

NASA/David J. Smith

Der Forschungsballon der NASA

Diese Mikroben stellen also keine Form außerirdischen Lebens dar, das irgendwie von oben, aus dem Weltraum, in die oberen Schichten der Atmosphäre eingedrungen ist, wie gelegentlich behauptet wird. „Das ist trotzdem interessant für Astrobiologen“, findet der US-Wissenschaftler. „Denn wir können Parallelen zu anderen Planeten ziehen.“ In den mittleren Lagen der Venusatmosphäre, etwa 60 Kilometer über dem Boden, herrscht der gleiche atmosphärische Druck wie in der irdischen Stratosphäre. Auch die Temperaturen sind ähnlich. „Dass wir regelmäßig Mikroben in der Erdatmosphäre finden, zeigt uns, dass wir die Möglichkeit nicht ausschließen sollten, dass es auch Leben gibt in der Venusatmosphäre.“

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmete sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal: 30. November 2018, 12.00 Uhr.

In zwölf Tagen um die Antarktis

Da der Forschungsballon mitsamt seinen Einzellern in der Gondel noch oberhalb der irdischen Ozonschicht fliegen wird, können die Forscher auch Parallelen zum Mars ziehen. Denn oberhalb der Ozonschicht werden sich die Bakterien unmittelbar unter dem Einfluss der ultravioletten Sonnenstrahlung befinden – so wie auf dem Mars. Der rote Planet hat so gut wie keine Atmosphäre und damit auch keine Ozonschicht. Seine Oberfläche ist direkt der Strahlung aus dem All ausgesetzt. „In der Stratosphäre, oberhalb der irdischen Ozonschicht, können wir also Marsbedingungen simulieren“, erklärt Smith.

E-MIST nennt sich das Experiment, das in der Atmosphäre Venus- und Marsbedingungen nachstellen soll. Das steht für „Exposing Microorganisms In the STratosphere“, Mikroorganismen also der Stratosphäre aussetzen. Dazu wird der Ballon kreisförmig über der Antarktis fliegen und alle zwölf Tage eine Runde drehen. Die Mikroben werden ein oder zwei Monate in der Stratosphäre bleiben. Nach der Landung des Ballons wollen die Wissenschaftler nachschauen, ob sie überlebt haben. „Wenn sie es zwei Monate in der oberen Stratosphäre über der Antarktis aushalten, würden sie wahrscheinlich auch auf dem Mars überleben“, mutmaßt Smith. „Sie würden den Unterschied gar nicht mitbekommen...“

Guido Meyer, science.ORF.at

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