Die einflussreichsten Filme aller Zeiten

Verkaufszahlen sagen nichts über die Qualität, Kritiker sind subjektiv. Um zu entscheiden, wie wichtig ein Film ist, zählen Forscher nun, wie häufig er in anderen Werken zitiert wird: „Der Zauberer von Oz“ ist in dieser Wertung der einflussreichste Film aller Zeiten.

„Somewhere over the rainbow, way up high, there’s a land that I’ve heard of, once in a lullaby“ - der beste Filmsong aller Zeiten, wie das Amerikanische Filminstitut 2004 befand. Der unzählige Male gecoverte Welthit beschreibt die Sehnsucht eines Mädchens aus Kansas, das sich aus der Eintönigkeit wegwünscht. „Somewhere over the rainbow, bluebirds fly, and the dreams that you dare to, oh why, oh why can’t I?“

Szenenbild "Der Zauberer von Oz"

AP Photo

Szenenbild „Der Zauberer von Oz“

Seinen ersten Auftritt hatte das Lied 1939 in der Verfilmung des „Zauberers von Oz“ (original „The Wizard of Oz“), gesungen von der erst 16-jährigen Judy Garland. Sie verkörpert das Mädchen vom Land, Dorothy Gale, dessen gesungener Wunsch auch in Erfüllung geht. Es landet im magischen Land von Oz, wo sie einige Abenteuer durchstehen muss. Nicht nur das Lied, auch der Film schrieb Geschichte. Glaubt man den Berechnungen der Computerwissenschaftler Livio Bioglio und Ruggero G. Pensa von der Universität Turin, hat kein anderes Werk so viele Filme wie Filmmacher beeinflusst. Auf den Plätzen zwei und drei folgen „Krieg der Sterne“ (1977) und „Psycho“ (1960).

Referenzen entscheidend

Es sei schwierig, die Qualität der sogenannten siebenten Kunst zu beurteilen, schreiben die beiden Forscher in ihrer soeben erschienenen Arbeit. Auf der einen Seite lasse sich anhand von Einspielergebnissen der kommerzielle Erfolg eines Films quantifizieren. Bei dieser Wertung führt übrigens „Avatar“ (2009). Kritiker, auf der anderen Seite, bewerten die Werke qualitativ, aber meist auch recht subjektiv. Unter dem Titel „They shoot pictures, don’t they?“ versucht etwa ein Projekt seit 2006 Kritikerlisten weltweit auszuwerten. Jährlich wird eine Liste der 1.000 besten Filme aller Zeiten veröffentlicht. In diesem Ranking führt seit Jahren „Citizen Kane“ (1941).

Der Film findet sich auch auf der nun von Bioglio und Pensa errechneten Rangliste, allerdings erst auf Platz sieben. Der Kern ihrer nun vorgeschlagenen Methode sind filmische Referenzen. Die Idee dahinter: Je öfter auf einen Film von anderen Filmemachern Bezug genommen wird, umso einflussreicher, d.h. wichtiger, ist er in der Filmgeschichte. Man kennt eine ähnliche Bewertung aus der Wissenschaft. Je öfter eine Arbeit von anderen zitiert wird, umso wichtiger ist diese für das Fachgebiet.

Judy Garland als Dorothy

AP Photo

Judy Garland als Dorothy

Der Begriff des Zitats muss man bei Filmen etwas weiter fassen. Das reicht vom echten Remake bis zur Inspirationsquelle. Solche filmischen Verweise sammelt unter anderem die International Movie Database (IMDb). Schon jetzt versucht man daraus abzuleiten, welche Werke am einflussreichsten sind.

Klassiker der Filmkunst

Die Forscher haben die IMDb-Daten aber nun einer etwas spezielleren Analyse unterzogen und nicht einfach Verweise gezählt. Aus 47.000 Filmen haben sie ein Netzwerk erstellt, das sie mit verschiedenen Algorithmen durchleuchtet haben. Neben der direkten Nachbarschaft, also dem direkten Verweis auf einen anderen Film, haben sie auch indirekte Beziehungen berücksichtigt: etwa wenn auf Filme verwiesen wird, die selbst auf viele Filme verweisen. So entstehen Gewichtungen und am Ende lassen sich die wichtigsten Knoten im Netzwerk identifizieren.

Top 20 Filme (engl. Titel)

  1. The Wizard of Oz (1939)
  2. Star Wars (1977)
  3. Psycho (1960)
  4. King Kong (1933)
  5. 2001: A Space Odyssey (1968)
  6. Metropolis (1927)
  7. Citizen Kane (1941)
  8. The Birth of a Nation (1915)
  9. Frankenstein (1931)
  10. Snow White and the Seven Dwarfs (1937)
  11. Casablanca (1942)
  12. Dracula (1931)
  13. The Godfather (1972)
  14. Jaws (1975)
  15. Nosferatu (1922)
  16. The Searchers (1956)
  17. Cabiria (1914)
  18. Dr Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb (1964)
  19. Gone with the Wind (1939)
  20. Battleship Potemkin (1925)

Die meisten Filme unter den Top 20 sind schon vor 1980 erschienen, manche stammen sogar aus der Frühzeit der Filmkunst. Der älteste Film auf der Liste ist nicht wie die meisten anderen aus den USA, sondern stammt aus Italien: „Cabiria“ (1914) liegt auf Rang 17. Für die Autoren ist das relative Alter nicht überraschend, es handle sich vor allem um Klassiker, die für nachfolgende Filmschaffende sehr prägend waren. Dass die meisten Filme aus dem westlichen Kulturkreis stammen, ist der Datenbasis geschuldet, wie die Forscher einräumen.

Wichtigste Filmschaffende

Ausgehend von der Filmliste haben Bioglio und Pensa auch Ranglisten der einflussreichsten Regisseure sowie Schauspielerinnen und Schauspieler erstellt. Platz eins und zwei bei den Regisseuren belegen George Cukor und Victor Fleming; beide haben bei „Der Zauberer von Oz“ Regie geführt. Der Film hat insgesamt fünf (!) Regisseure verbraucht, alle fünf befinden sich unter den Top acht. Cukor und Fleming waren außerdem beide bei „Vom Winde verweht“ (1939, Rang 19) für die Regie verantwortlich - was ihre Spitzenpositionen erklärt.

Clark Gable und Vivien Leigh in "Vom Winde verweht"

AP Photo

Clark Gable und Vivien Leigh in „Vom Winde verweht“

Erst auf Rang drei folgt der heute weitaus bekanntere Alfred Hitchcock. Es finden sich aber auch Filmschaffende aus der jüngeren Vergangenheit auf der Liste, z.B. James Cameron, obwohl keiner seiner Filme unter den Top 20 ist. Laut den Autoren hat er aber einige der einflussreichsten Filme der jüngsten Vergangenheit gedreht. „Terminator“, „Titanic“ und „Avatar“. Auch ohne Film unter den Top 20 befindet sich der gebürtige Österreicher Billy Wilder auf Platz 18.

Filmischer Zeitgeist

Um die Rangliste von Regisseuren und Darstellern etwas zu „entzeitlichen“, haben die Forscher ihre Methoden etwas elaboriert, indem sie die Wichtigkeit der Film in ihrer jeweiligen Zeit bewertet haben. Auf diesen Sublisten lässt sich auch ganz gut ablesen, wie sich die filmischen Moden ändern. Die längste Zeit sind zwar US-Filme die einflussreichsten, aber in den 1960er finden sich auch Filme aus Frankreich auf Topplatzierungen („Nouvelle vague“), z.B. von Jean-Luc Godard; in den 1970er außerdem italienische.

Auf der überarbeiteten Gesamtliste, die sich laut den Forschern der überzeitlichen Qualität der Kreativen besser annähern soll, übernimmt Hitchcock die Führung bei den Regisseuren. Hinter ihm Steven Spielberg und Brian de Palma. Auf beiden Top 20 Listen der Regie findet man übrigens keine einzige Frau - ein Spiegel der männlich dominierten Filmgeschichte.

Lois Maxwell in jungen Jahren

AP Photo

Lois Maxwell in jungen Jahren

Nicht viel anders sieht das Verhältnis bei den Darstellerinnen und Darstellern aus: Auf Platz eins landet hier Samuel L. Jackson, vor Clint Eastwood und Tom Cruise. Die „beste“ Frau schafft es gerade unter die Top Ten. Es ist Lois Maxwell, die als Miss Moneypenny in zahlreichen James Bond-Filmen auftrat. Etwas besser schneiden die weiblichen Darstellerinnen ab, wenn man nach Jahrzehnten bzw. Regionen auswertet. In manchen europäischen Ländern finden sich zumindest einzelne Frauen unter den besten Fünf. Fast umgekehrte Geschlechterverhältnisse gibt es in Schweden: drei Frauen unter den Top Fünf. Das verdanken sie allerdings vor allem einem (männlichen) Regisseur, nämlich Ingmar Bergman. In einem einzigen Genre - bei den Musicals - belegt eine Frau sogar Rang eins: Judy Garland - die Protagonistin des vielleicht wichtigsten Films aller Zeiten.

Eva Obermüller, science.ORF.at

Mehr zum Thema