Zu Weihnachten oder an Ostern

Zu Weihnachten Rinderroulade essen oder an Ostern den Adventskalender öffnen? Alles richtig - zumindest grammatikalisch. Forscher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben die Varianten untersucht und ein Onlinenachschlagewerk erstellt.

Österreich, Deutschland, die Schweiz: In allen drei Ländern und zusätzlich auch noch im Fürstentum Liechtenstein, in Belgien, Luxemburg und Südtirol wird deutsch gesprochen. Je nach Land oder Region findet man allerdings sprachliche Varianten des Deutschen, die von unterschiedlichem Wortschatz bis hinein in die Grammatik reichen, schildert Anna Thurner vom Institut für Germanistik der Uni Graz.

Wird im Deutschen beispielsweise ein Feiertag wie Weihnachten oder Ostern als Zeitpunkt genannt, können davor die Präpositionen „an“ oder „zu“ verwendet werden, führt die Mitarbeiterin des Grazer Projektleiters Arne Ziegler am Mittwoch im Gespräch mit der APA als Beispiel an. Während das Vorwort „zu“ in Norddeutschland und Mitteldeutschland wie auch in Westösterreich immerhin mehrheitlich verwendet wird, findet man im Rest von Österreich im geschriebenen Deutsch fast ausnahmslos „zu Weihnachten“ oder „zu Ostern“. In der Schweiz, Süddeutschland oder Luxemburg wird hingegen mehrheitlich „an Weihnachten“ verwendet.

Mit oder ohne „s“

Die Weihnachtsgrüße werden zunehmend auf elektronischem Weg verschickt. Ob sich die Adressaten über „das E-Mail“ oder „die E-Mail“ freuen, hängt davon ab, ob sie in Deutschland, Ostösterreich oder der Schweiz wohnen: In Deutschland und in deutschsprachigen Teilen Belgiens ist fast ausnahmslos die feminine Variante - „die E-Mail“ - im Gebrauch. Sie wird auch in Südtirol, Westösterreich, Liechtenstein und Luxemburg mehrheitlich verwendet, hat das von der Universität Zürich koordinierte trinationale Wissenschaftlerteam beispielsweise herausgefunden. In Ostösterreich und der Schweiz wird hingegen mehrheitlich die Variante "das E-Mail "gebraucht.

Der Rinderbraten - grammatikalisch gesehen eine Zusammensetzung von eigenständigen Hauptwörtern mit einer „er-Fuge“ - tritt in dieser Form mehrheitlich in Deutschland auf. In Österreich werden „Rind-er“ und „Rind-s“ etwa ähnlich häufig verwendet, in Mittel- und Südostösterreich treten allerdings mehrheitlich Zusammensetzungen mit „s-Fuge“ auf. Die weihnachtlichen Kränze oder Märkte kommen hingegen hauptsächlich in Österreich und Südtirol ohne „s“ aus.

Varianten vernachlässigt

Das Adjektiv „weihnachtlich“ wiederum wird in der Schweiz und Liechtenstein zwar mehrheitlich verwendet, daneben kommt in diesen Arealen aber auch die Variante „weihnächtlich“ vor. Diese, wie noch tausende weitere Beispiele, die seit dem Jahr 2011 gesammelt und beschrieben wurden, haben die Wissenschaftler der Universitäten Zürich, Graz und Salzburg in einem Online-Nachschlagewerk zugänglich gemacht.

Die grammatische Variation in der deutschen Standardsprache war laut Arne Ziegler ein Gebiet innerhalb der linguistischen Forschung, das lange Zeit kaum Beachtung gefunden hat. „Ziel des Projekts war es, auf der Basis eines breiten Korpus von Zeitungstexten aus allen Ländern und Regionen des zusammenhängenden deutschen Sprachgebietes die grammatische Standardvariationen zu erfassen“, betont Thurner.

Online-Zeitungen als Datenbasis

Als Datengrundlage für die Variantengrammatik dienten die Online-Ausgaben von 68 regional verbreiteten Zeitungen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, die verschiedenen Großregionen zugeordnet wurden. „Die Variantengrammatik des Standarddeutschen ist eine Grammatik, die den Sprachgebrauch im gesamten deutschsprachigen Raum dokumentiert“, zeigen sich die Wissenschaftler überzeugt.

„Alle dokumentierten Varianten gehören zur deutschen Standardsprache und sind gleichberechtigt“, wie auch Thurner im Gespräch betonte. So gelte es auch zu akzeptieren, dass man sich im deutschen Sprachraum sowohl „an Weihnachten“ als auch „zu Weihnachten“ einen „Rinderbraten“ oder eine „Rindsroulade“ munden lassen kann, ohne grammatikalisch danebenzuliegen. Apropos danebenliegen - als Beilage passen Erdäpfelknödel oder Kartoffelklöße - so oder so. Das Projekt wurde von Forschungsinstitutionen Österreichs, Deutschlands und der Schweiz mit insgesamt 1,2 Millionen Euro finanziert.

science.ORF.at/APA

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