Traumatherapie möglichst rasch beginnen

Wer etwas Schreckliches erlebt hat, versucht die Erinnerung daran aktiv zu vermeiden - und denkt in Folge ständig daran. Der frühe Einsatz von Verhaltenstherapie könnte das Gedächtnis wieder ins Gleichgewicht bringen.

Die Auslöser einer Belastungsstörung können ganz unterschiedlich sein: ein Unfall, ein Verbrechen, eine schwere Erkrankung oder der Verlust eines geliebten Menschen. In Europa ist jeder Zweite mindestens einmal im Leben einem solchen Ereignis ausgesetzt. Bei etwa 40 Prozent der Betroffenen kommt es danach zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung oder Posttraumatic Stress Disorder, PTSD.

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Über das Thema berichteten auch die Journale am 28.12.2018 um 8.00 Uhr.

Viele erkennen Symptome nicht

Ein solche Belastungsstörung kann unmittelbar nach dem katastrophalen Ereignis auftreten, aber auch erst Monate später. Zu den Symptomen gehören Gereiztheit und aggressives Verhalten, die meisten fühlen sich hilflos, erschöpft und niedergeschlagen, die Gedanken kreisen um das schreckliche Ereignis. Doch viele Betroffene wissen nicht einmal, dass sie eine Belastungsstörung haben könnten. Sie halten die wiederkehrenden Schreckensbilder, die Albträume und die Schlaflosigkeit für normal.

Genau diese Patienten sollen möglichst früh erkannt werden, sagt der Psychiater und Neurowissenschaftler Philipp Homan vom Feinstein Institute for Medical Research in New York. „So können wir die Betroffenen auch möglichst früh mit einer Therapie erreichen“, so Homan. Denn erste Studien haben gezeigt, dass psychotherapeutische Hilfe unmittelbar nach dem traumatischen Ereignis besonders erfolgreich ist. „Da gibt es gute Hinweise, dass Verhaltenstherapie und Expositionstherapie relativ früh begonnen, eine gute Wirksamkeit haben“, so der Psychiater weiter.

Medikamente bisher wenig erfolgreich

Homan hofft auf größere Studien, die diesen Zusammenhang genauer untersuchen. Denn die Hoffnung, Belastungsstörungen mit Medikamenten behandeln zu können, hat sich bis dato nicht erfüllt. Studien an Mäusen hatten gezeigt, dass Beta-Blocker, ein Blutdrucksenker, die schreckliche Erinnerungen aus den Mäusehirnen löschen könnten, beim Menschen brachten sie allerdings nicht den gewünschten Erfolg.

Auch Benzodiazepine, angstlösende Beruhigungsmittel, zu denen das bekannte „Valium“ gehört, werden heute nicht mehr bei PTSD empfohlen. „Von denen nimmt man heute sogar an, dass sie die Belastungsstörung verschlimmern und nicht lindern“, bestätigt Homan. Einzig der Einsatz von hochdosiertem Cortison, das normaler Weise bei Autoimmunerkrankten angewendet wird, hat die Neuropharmakologen Hoffnung schöpfen lassen. „Das konnte die Traumasymptome auf längere Sicht verringern“, so Homan weiter.

„Das Gedächtnis ist keine Schublade“

Erfolgversprechend ist laut Homan auch eine psychotherapeutische Methode, die Gedächtnis-Rekonsolidierung genannt wird. Bei Menschen mit einer Belastungsstörung komme das Verhältnis von Erinnern und Vergessen in ein Ungleichgewicht. „Um gesund zu sein, müssen wir uns zwar erinnern können, aber wir müssen unangenehme, bedrohliche Dinge auch vergessen können“, so Homan.

In der Therapie würde man versuchen, das traumatische Erlebnis abzurufen und dann beim angeleiteten Wiedererleben therapeutisch einzugreifen, erklärt der Psychiater. Diese Methode sei mit der Expositions- bzw. der kognitiven Verhaltenstherapie verwandt. So könne es gelingen, das Erlebte „aushaltbar“ zu machen. „Das Gedächtnis ist nicht wie eine Schublade, die man aufmacht, einen Gegenstand herausnimmt und wieder zumacht, sondern jedes Mal wenn wir den Gedächtnisinhalt abrufen, haben wir auch die Möglichkeit, den Inhalt zu verändern“, so der Psychiater.

Marlene Nowotny, Ö1-Wissenschaft

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