Warum süß nicht gleich süß ist

Obwohl nur ein Geschmacksrezeptor für die „Süße“ verantwortlich ist, schmecken Zucker, Stevia und andere Zuckeralternativen nicht gleich. Warum das so ist, erforscht man an der Universität Wien. An der Forschung sind auch Aromahersteller interessiert.

Die Chemikerin Barbara Lieder gießt Wasser in einen Becher. Wenn die zwanzig Probanden ihre unterschiedlichen Süßstoffe kosten, müssen sie jedes Mal den Mund gut ausspülen, um sich ganz auf den neuen süßen Geschmack einlassen zu können. Denn Süßstoffe können nicht nur mal bitterer, mal metallisch schmecken, sie fühlen sich auch im Mund unterschiedlich an, entfalten den Geschmack verschieden schnell und haften mal länger, mal kürzer auf der Zunge.

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Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in „Wissen aktuell“ am 3.1. um 13:55.

Während die Süße von Zucker also beispielsweise schnell zu schmecken ist und ebenso schnell abklingt, braucht Aspartam etwas länger, erklärt Lieder. Dieser synthetische Süßstoff wird etwa in Light-Limonaden und Diät-Joghurts eingesetzt. Noch mehr trifft das auf die pflanzliche Süße Stevia zu, wie die Leiterin des Christian Doppler Labors für Geschmacksforschung, Barbara Lieder, beschreibt. „Man hat dort eine zeitliche Verzögerung drin. Viele Leute merken es, wenn sie Stevia hinuntergeschluckt haben, bleibt gerade im hinteren Bereich der Zunge ein gewisser Nachgeschmack erhalten.“

Wie ein Rezeptor für Geschmacksvielfalt sorgt?

Vor allem vor dem Hintergrund, dass nur ein Rezeptor auf der Zunge für den süßen Geschmack zuständig ist, ist die Vielfalt der Geschmackserlebnisse verblüffend. „Es spielen natürlich zum Teil auch andere Rezeptoren eine Rolle, wie etwa der für den bitteren Geschmack. Die können dann zusammenwirken. Für den süßen Geschmack an sich ist aber nur der eine Rezeptor verantwortlich.“

Wie es zu den unterschiedlichen Geschmackserlebnissen kommt, will Lieder nun klären. Der Mund ist aber nicht der einzige Ort im Körper, wo die Forscherin sucht. Denn wie die Erkenntnisse der letzten Jahre zeigen, befindet sich der Süßrezeptor auch in der Bauchspeicheldrüse, im Darm sowie in Fettzellen. Im Labor will Lieder nun herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Geschmackserlebnis im Mund und der Reaktion der Zellen im Verdauungstrakt sowie den Fettzellen gibt.

Im Labor werden die Fett- und andere Zellen unter die Lupe genommen und untersucht, wie sich die verschiedenen Süßstoffe auf Zellebene auswirken. „Wir möchten sehen, ob es hier ein gemeinsames Muster gibt. Also wenn Stoffe sich sensorisch unterschiedlich verhalten, ob diese sich dann auch unterschiedlich auf Zellebene auswirken.“ Hierfür wird auch die genaue molekulare Struktur der einzelnen Süßstoffe eruiert.

Primär will Lieder verstehen, wie der süße Geschmackssinn im Körper funktioniert und warum Zuckeralternativen anders schmecken als klassischer Zucker. Gelingt das, könnte das letztlich die Suche nach günstigeren, kalorienarmen, gesünderen, geschmacklich ähnlichen Alternativen zu Zucker erleichtern. Vielleicht auch deshalb wird das Labor der Uni Wien zur Hälfte von einem Aromahersteller finanziert.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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