Die meist erforschten Infektionskrankheiten

Ein neues Ranking zeigt: Die best erforschten Infektionskrankheiten sind HIV/Aids, Tuberkulose und Grippe. Dass Krankheiten, die vor allem ärmere Länder betreffen, vernachlässigt werden, stimmt nur zum Teil.

„Neglected tropical diseases“ (NTDs) nennt die Weltgesundheitsorganisation WHO Krankheiten, die vor allem in ärmeren Ländern vorkommen und von der medizinischen Forschung vernachlässigt werden. Wie etwa Vertreter der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ kritisieren, seien solche Krankheiten für die Forschung weniger interessant, weil man damit weniger Geld verdienen kann.

Yuki Furuse von der Universität Kyoto hat sich nun bei 52 verschiedenen Infektionskrankheiten angesehen, wie intensiv diese in den vergangenen sieben Jahren erforscht wurden. Sie erhoben nicht nur die Anzahl der wissenschaftlichen Publikationen - darunter Studien, Meta-Analysen, Reviews - zu einer Krankheit, sondern verglichen sie auch mit der Belastung, die die jeweilige Krankheit verursacht. Gemessen wird diese „disease burden“ mittels DALY, einem Indikator, der sich aus der Sterblichkeit und der durch die Krankheit beeinträchtigten Lebensjahre berechnet. So zeigt die Studie auch das Verhältnis zwischen der Schwere der Krankheit und der Intensität, mit der sie erforscht wird.

Fast 100.000 Publikationen zu HIV

Die Ergebnisse bestätigen den gängigen Vorwurf teilweise, zeigen aber auch abweichende Details. Mit knapp 100.000 Publikationen am intensivsten erforscht wurde zwischen 2010 und 2017 HIV/Aids, gefolgt von Hepatitis C, Tuberkulose und Malaria - obwohl diese Krankheiten vor allem in ärmeren Ländern ein Problem sind. Sie gelten aber ohnehin nicht als vernachlässigte NTDs. Anders als die Chagas-Krankheit, Leishmaniose oder auch Lepra: Sie gehören zu den „Neglected Tropical Deseases“, wurden laut Studie aber trotzdem relativ häufig erforscht – vor allem im Verhältnis zu ihrem DALY-Index.

Infektionskrankheiten

am meisten erforscht: HIV/AIDS, Tuberkulose, Influenza, Hepatitis C, Malaria

am wenigsten erforscht: Dracontiasis, Paratyphus, Onchozerkose (Fadenwurm), Trichuriasis (Peitschenwurm), Hakenwurm, Diphtherie

Am wenigsten wurde mit rund 200 Publikationen die Dracontiasis erforscht, eine Wurmerkrankung, die auch offiziell als vernachlässigte Krankheit gilt. Infektionskrankheiten durch Würmer, wie den Spul- und Hakenwurm, die die Erkrankten laut DALY stärker beeinträchtigen als etwa Chagas, wurden in der Forschung generell wenig beachtet. Ebenso wie Paratyphus, der nicht als NTD gilt – der Statistik zufolge aber sehr wohl vernachlässigt wird. Studienautor Yuki Furuse betont daher, dass nicht nur die bekannten NTDs stärker berücksichtigt werden sollten, sondern es auch mehr Bewusstsein für andere, wenig beachtete Krankheiten zu schaffen gilt.

Mehr Aufmerksamkeit für Influenza

Die Wissenschaftler haben sich auch angesehen, wie sich die Erforschung der Krankheiten seit den 1990er Jahren entwickelt hat. Obwohl zu HIV noch immer am meisten publiziert wird, ging die Forschung in diesem Bereich zurück. Intensiver erforscht werden hingegen Denguefieber, Norovirus und Influenza. Letztere zählt demnach zu den am häufigsten erforschten Krankheiten, besonders im Verhältnis zu ihrer „disease burden“ nach dem DALY-Index. Das liege unter anderem daran, dass nach der Influenza-Pandemie im Jahr 2009, der sogenannten Schweingrippe, das Interesse an der Influenza gestiegen sei, so Yuki Furuse. Außerdem verändert sich das Grippevirus ständig, sodass jedes Jahr neue Impfstoffe gegen die Influenza entwickelt werden.

Krankheiten besser erforschen

Infektionskrankheiten werden von Bakterien, Viren, Pilzen oder Parasiten verursacht. Sie sind für ein Fünftel aller Tode weltweit verantwortlich, im Jahr 2016 starben zehn Millionen Menschen daran, wie die Forscher in der Studie schreiben. Dass die Gefahr durch Infektionskrankheiten nicht gebannt ist, zeige etwa der Ebola-Ausbruch im Jahr 2014. Auch die zunehmenden Antibiotika-Resistenzen würden ein Problem für die Behandlung bakterieller Infektionen darstellen. Die Studie soll dazu beitragen, dass Ressourcen in der Forschung zu infektiösen Krankheiten sinnvoll eingesetzt werden, so Furuse.

Julia Geistberger, science.ORF.at

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