Wie Universitäten vielfältiger werden

Je bildungsferner die Familie, desto geringer die Chancen, dass ein Kind in Österreich einmal eine Uni besuchen wird. In den USA haben Hochschulen viel Erfahrung darin, sich für unter-repräsentierte Gruppen zu öffnen. Eine Lehre: „One size fits all“ funktioniert nicht.

2004 war die University of Denver noch unter den Top-20-Unis mit der geringsten Diversität in den USA. 2004 war auch das Jahr, in dem Frank Tuitt als wissenschaftlicher Mitarbeiter eingestellt wurde. Heute ist der Hochschulforscher als Provost der Universität für „inclusive excellence“ zuständig. Im Interview mit science.ORF.at fasst er zusammen, was es braucht, damit Bildungseinrichtungen vielfältiger werden.

Schluss mit „happy talk“

Projekt Multinclude:

Frank Tuitt war anlässlich des Erasmus+-Projekts Multinclude in Wien. Hochschulen aus den Niederlanden, Italien, Schweden und Österreich erarbeiten Strategien für mehr Vielfalt und Inklusion. Für Österreich ist das Kinderbüro der Uni Wien beteiligt.

„Diversität ist teilweise ein buzz word geworden“, sagt Frank Tuitt. „Wir können es als Schlagwort in Strategien schreiben und nichts Konkretes unternehmen.“ Wenn eine Universität von sich schreibt, sie sei divers, vermittelt sie damit, die Arbeit schon erledigt zu haben. In einem Artikel für die Association of American Colleges & Universities plädiert der Hochschulforscher deshalb für ein Ende des „happy talk“: „Wir müssen über Privilegien und Unterdrückungsmechanismen reden und Strukturen von Universitäten konsequent umbauen, auch wenn das nicht angenehm ist.“ Diversität sei kein Wohlfühlprogramm, für das eine Person oder eine Abteilung zuständig ist, so Frank Tuitt. Sie ist „everybody’s business“.

Nicht eine Schuhgröße für alle

Bildung sei ein großartiges Instrument, um Gleichheit in der Gesellschaft zu fördern. Dafür brauche es aber keine Gleichmacherei, sondern maßgeschneiderte Förderung: „Jeder trägt Schuhe, aber nicht jeder Schuh passt auf jeden Fuß. Gleichheit im Bildungskontext bedeutet also, dass alle bekommen, was sie brauchen, um ihr Bestes geben zu können.“ Dafür müsse man auch das Bild überdenken, das Universitäten von Studierenden haben. Sie kommen nicht als leere Gefäße an die Hochschule, die sie dann mit Wissen befüllt. Sie seien geprägt von ihren familiären und schulischen Erfahrungen, von ihren Erlebnissen als Mensch mit einer bestimmten Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht. All das gelte es in den Unterricht einzubeziehen.

Mit Universität „infizieren“

Ö1 Sendungshinweis:

Über das Thema berichtet auch das Mitagsjournal am 18.1.2019.

Warum er in Harvard studiere, Universitäten seien doch nur etwas „for kings and queens“ - das hat Frank Tuitt als farbiger US-Amerikaner immer wieder gehört, wenn er als Student in seinen Heimatort gekommen ist. Viele Jugendliche denken überhaupt nicht daran, dass sie einmal an eine Hochschule gehen könnten. Um sie mit dieser Idee zu „infizieren“, arbeitet die Universität Denver mit der Stadtverwaltung zusammen, geht an öffentliche Schulen. Wenn ein junger Mensch Interesse an einem Studium zeigt, bettet ihn die Universität gleich in ein Netzwerk mit anderen Studierenden und Mentorinnen ein. „In diesem Netzwerk bleiben sie während ihrer gesamten Unizeit. Damit steigen die Chancen auf einen Abschluss“, so der Diversitätsexperte.

Vorteil für gesamte Gesellschaft

In Österreich bestimmen vor allem Herkunft und Ausbildung der Eltern den Bildungsweg des Nachwuchses. So hat laut Statistik Austria fast ein Drittel aller Studierenden einen Vater mit akademischem Grad, aber nur ein Dreißigstel kommt aus einer Familie mit Pflichtschulabschluss. Bei Menschen mit Migrationshintergrund gelingt der Aufstieg über Bildung noch weniger, laut dem vom Außenministerium herausgegebenen Bericht „Migration & Integration 2018“ kommt nur die Hälfte über das Pflichtschulniveau der Eltern hinaus, bei Menschen ohne Migrationshintergrund wird die niedrige Bildung bei einem Fünftel „vererbt“.

Die Universität Denver hat es durch ihre Programme nicht nur geschafft, von der Liste der Hochschulen mit der geringsten Diversität zu kommen. Heute kommt ein Viertel der Studierenden aus „unterrepräsentierten Gruppen“, das sind Menschen mit anderer Hautfarbe und Herkunft. Wissen und kritisches Denken seien die Grundlage für eine funktionierende, moderne Gesellschaft, so Frank Tuitt, Diversität deshalb kein Luxusthema: „Je stärker eine Gesellschaft Wissen vermehren kann, desto mehr nützt es dem gesamten Gemeinwesen.“

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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