Praxistest für die älteste Waffe der Welt

Schon Neandertaler haben mit ihren Speeren Beutetiere aus einer Entfernung von mindestens 20 Metern erlegt. Das zeigen originelle Experimente britischer Forscher: Athleten warfen für sie Nachbildungen der ältesten Speere der Welt.

Es war vermutlich ein seltsamer Anblick, den die sechs Speerwerfer vor einiger Zeit auf der Leichtathletikanlage der Loughborough University nahe Leicester boten. Sie sollten mit Holzspeeren kleine Heuhaufen treffen, die in verschiedenen Abständen auf dem Rasen platziert waren.

Video: Hier ein Treffer

Die Idee stammt von einem Forscherteam um Annemieke Milks vom University College London. Bei den Sportgeräten handelte es sich um Nachbildungen der Schöninger Speere: Mit einem Alter von 300.000 bis 400.000 Jahren gelten sie als die ältesten komplett erhaltenen Jagdwaffen Europas, manche sagen auch der Welt.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 25.1.2019, 13:55 Uhr.

Die acht Speere, die vor über 20 Jahren beim Braunkohleabbau im deutschen Bundesland Niedersachsen gefunden worden sind, werden üblicherweise der Art Homo heidelbergensis („Heidelbergmensch“) zugeordnet. Da die Abgrenzung zu den ihr nachfolgenden Neandertalern aber nicht so klar ist, schreiben Milks und Kollegen in der in „Scientific Reports“ erschienenen Studie einfach von „Jagdspeeren der Neandertalern“.

Einer der Speerwerfer

Annemieke Milks

Einer der Speerwerfer

Um ihre Flugtauglichkeit zu testen, stellten die Forscher aus Fichtenholz exakte Kopien der Schöninger Speere her und baten die sechs Sportler zu insgesamt 120 Würfen. Bis zu einer Entfernung von 20 Metern trafen die Speerwerfer die Heuhaufen, die als Ziele dienten, recht genau. Dies ist laut den Forschern doppelt so weit wie bisher angenommen und beweist, dass die Neandertaler zum Jagen auf Entfernung fähig waren – und nicht nur zum riskanteren Nahkampf.

„Ihre Flexibilität an Verhaltensweisen ähnelt der von Homo sapiens, unserer eigenen Art“, sagt Annemieke Milks. Ihre Studie trage zu dem Bild der vergangenen Jahre bei, wonach es sich bei den Neandertalern nicht um eine unterlegene Art gehandelt hat, sondern um „unsere cleveren und tüchtigen Cousins“.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at

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