Wiegen wirkt - auch bei Erwachsenen

Babys schlafen in der Wiege schneller ein. Auch Erwachsene schlafen besser, wenn sich das Bett langsam hin- und herbewegt, so das Ergebnis einer aktuellen Studie. Überraschendes Detail: Die Wiegebewegung stärkt auch das Erinnerungsvermögen.

Gut schläft, wer schnell wegschlummert, in der Nacht nicht aufwacht und lange in der Tiefschlafphase bleibt. „Dabei spielt nicht nur die Länge eine wichtige Rolle, sondern auch die Qualität des Tiefschlafs“, erklärt einer der Studienautoren Konstantinos Kompotis von der Universität Lausanne gegenüber science.ORF.at.

Der Neurowissenschaftler und seine Kollegen haben nun in einer ersten Studie 18 Teilnehmer - allesamt grundsätzlich gute Schläfer - ins Schlaflabor gebeten und sie in der Nacht auf ein langsam schaukelndes Bett gelegt. Das Resultat: Sie schliefen schneller ein, schliefen tiefer, gleichmäßiger und besser als in der Nacht, in der sie nicht durch die Nacht geschaukelt wurden. Sanft wiegen bedeutet in diesem Fall, das Bett schwingt alle vier Sekunden langsam hin und her.

Video der Erwachsenwiege im Schlaflabor:

Schon in einer früheren Studie zeigte das Schweizer Forscherteam, dass Menschen bei einem 45-Minuten-Nickerchen schneller und besser schlafen, wenn sich das Laborbett hin- und herbewegt. Etwas, das viele vermutlich von einem Nickerchen in der Hängematte kennen. So auch Kompotis: „Ich liebe es, in der Hängematte einzuschlafen - egal ob am Nachmittag oder in der Nacht. Es ist nun aber das erste Mal, dass man Probanden eine ganze Nacht hindurch im Schlaf geschaukelt und dabei beobachtet hat“, so Kompotis.

Tiefschlaf als entscheidende Phase

Was genau im Schlaf passiert und warum besonders der Tiefschlaf wichtig ist, dazu gibt es einige Theorien. So gehen manche davon aus, dass wir uns während den tieferen Schlafphasen regenerieren. Andere meinen, dass gerade hier das Gehirn unwichtige Details loswird. Eine weitere Theorie verfolgt den Ansatz, dass in dieser Phase die Erinnerung gefestigt wird. Zumindest Letzteres scheint nun auch diese Studie zu unterstützen.

Denn die Forscher haben die Probanden nicht nur im Laborbett schlafen lassen, sie mussten vor dem Schlafengehen auch Begriffspaare lernen. „Am nächsten Tag nannte man den Teilnehmern eines der beiden Wortpaare und sie sollten das zweite, dazugehörige Wort nennen. Damit testet man unser assoziatives Gedächtnis, also das Gedächtnis, mit dem wir arbeiten.“ Ergebnis: Nach einer Nacht auf dem Wiegebett konnten die Teilnehmer mehrere Begriffspaare richtig vervollständigen.

Synchronisierte Hirnaktivität

Im Gehirn spielt sich dabei Folgendes ab: Dss Schaukeln verändert die Gehirnaktivität. Genauer tauchen in der Tiefschlafphase sogenannte Gehirnspindeln auf. Das heißt, das Gehirn wird immer wieder für eine halbe bis zu zwei Sekunden lang aktiv. Dass diese Aktivität etwas mit dem Lernen zu tun hat, ließen Studien immer wieder vermuten. „Zudem gelten Spindeln als Schlafwächter. So wurde kürzlich gezeigt, dass Spindeln den Schlaf vor äußeren Einflüssen schützt, sodass man nicht so leicht aufwacht.“

Abgesehen davon zeigte das Gehirn durch das Schaukeln auch langsamere Wellen der Hirnströme. „Langsame Oszillationen sind ein wichtiger Marker für guten, qualitativen Schlaf. Zudem zeigte eine Studie, dass diese auch intensive Erinnerungen festigen helfen.“ Wie die Forscher schreiben, werden beide Gehirnaktivitäten durch das Schaukeln synchronisiert. „Dadurch können die Neuronen besser miteinander kommunizieren. Man geht davon aus, dass dadurch das Gedächtnis sowie der Schlaf positiv beeinflusst werden.“

Die Wiege für die Mäuse

Konstantinos Kompotis

Mit diesem Gerät wurden Mäuse in den Schlaf gewiegt

Auch Mäusen wiegen leichter in den Schlaf

Dass Schaukeln sich nicht nur auf den Schlaf von Menschen, sondern auch auf Mäuse auswirkt, zeigte das Schweizer Forschungsteam in einer zweiten Studie. Die Mäuse wurden dabei in ihren Käfigen ebenfalls hin- und herbewegt - allerdings ein wenig schneller, jede Sekunde einmal. Auch hier schliefen die Mäuse schneller ein und hatten dadurch eine längere Schlafphase, wenngleich keine ausgedehntere Tiefschlafphase. „Das ist darauf zurückzuführen, dass Mäuse anders schlafen als Menschen und am meisten Zeit in der leichteren Phase verbringen. Zudem sind die Gehirnstrukturen und die Kommunikation im Gehirn vergleichbar, aber nicht ident“, erklärt Kompotis, der die zweite Studie leitete.

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Journal um acht sowie die Nachrichten am 25.1.2019.

Weitere Versuche an den Mäusen bestätigten zudem, was lange vermutet wurde: Das Gleichgewichtssystem ist der entscheidende Faktor, weshalb Schaukeln überhaupt einen Effekt hat. Schaukelten die Forscher Mäuse mit einem defekten Gleichgewichtsorgan, reagierten diese gar nicht. Bisher hat das noch niemand getestet, so Kompotis.

Bett mit Wiegeoption?

Auch wenn die Forschungsergebnisse eindeutig sind - durch Schaukeln schläft man besser und stärkt dazu sein Gedächtnis - würde Kompotis mit dem Kauf eines Bettes mit Wiegeoption noch ein wenig zuwarten. „Wie wir in der Mausstudie gesehen haben, hat eine zu niedrige Frequenz keinen Einfluss. War die Frequenz zu hoch, verkürzte sich die REM-Schlafphase. Aber auch diese ist sehr wichtig. Wir müssen das noch genauer untersuchen. Wenn das geklärt ist, dann kaufe ich mir aber auf jeden Fall eines.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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