Roboter meistert den Wackelturm

Man muss Klötzchen ganz vorsichtig aus dem Stapel herausziehen: Das Spiel mit dem Wackelturm ist eine kniffelige Aufgabe, an der Kinder und selbst Erwachsene mitunter scheitern. Und Roboter erst recht - oder doch nicht?

„Jenga“ bedeutet in der Bantusprache Suaheli „bauen“. Das Wort hat sich auch als Name für ein beliebtes Spiel mit Holzklötzchen eingebürgert, das in so manchem Kinderzimmer zu finden ist. Das Prinzip ist einfach: Zwei Spieler entfernen abwechselnd einen Klotz aus dem Turm und legen ihn obenauf - verloren hat, wer ihn als erster zum Einsturz bringt. Nima Fazeli vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat sich nun die Frage gestellt, ob man auch Roboter mit ausreichend Geschicklichkeit für eine Jenga-Partie ausstatten könnte.

Um das zu klären, konstruierten Fazeli und ihr Team zunächst einen Roboterarm mit empfindlichen Berührungssensoren. Als Vorbild diente die sensorische Ausstattung von Lebewesen: „Schlussfolgern durch Tasten ist im Tierreich allgegenwärtig, aber in der Roboterhandhabung unterentwickelt“, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Science Robotics“.

Dabei könnten Informationen, die durch Ertasten vermittelt werden, in der Industrie sinnvoll eingesetzt werden. „In einer Fertigungsstraße für Mobiltelefone kommt in fast jedem einzelnen Schritt der Eindruck von einem Schnappverschluss oder einer Gewindeschraube eher von Kraft und Berührung her als vom Sehen“, erklärt Alberto Rodriguez, ein Co-Autor der Studie.

Stapel: Roboter beim Jenga-Spiel

Fazeli et al., Sci. Robot. 4, eaav3123 (2019)

Robo-Jenga im Labor

Testen durch tasten

Die Forscher kombinierten Kameraaufnahmen mit Berührungssensoren und speisten mit diesen Daten ein künstliches neuronales Netzwerk. Um die Lernzeit zu verkürzen, war dem Roboter vorgegeben, dass er Vorgänge mit gleichem oder ähnlichem Ergebnis - etwa dem Einstürzen des Jenga-Turms - in Clustern zusammenfasst. Auf diese Weise hatte der Roboter eine steilere Lernkurve als mit anderen Verfahren und brauchte nur etwa 300 Versuche statt zehntausende, um ein gutes Spielergebnis zu erzielen.

Nach Computersimulationen des Lernverhaltens folgte das Spiel mit echten Jenga-Klötzchen. Wenn der Roboterarm mit dem Spielen begann, testete er zufällig ausgewählte Holzbausteine. Er bewegte sie etwa einen Millimeter und bewertete sie nach Kategorien wie „leicht zu bewegen“, „schwer zu bewegen“ und „gar nicht zu bewegen“. Je nach Bewertung setzte er seine Bemühungen fort, den Baustein zu entfernen - oder eben nicht.

Fast so gut wie Menschen

Entfernte Bausteine werden bei Jenga oben auf den Turm gelegt. Der Roboter schaffte es nach kurzer Lernzeit, 21 oder mehr Bausteine zu entfernen und neu zu platzieren, ohne dass der Turm kippte. „Wir haben gesehen, wie viele Blöcke ein Mensch herausziehen konnte, bevor der Turm fiel, und der Unterschied war nicht so groß“, sagt Miquel Oller, ein weiterer Autor der Studie. Ziel der Forscher ist es letztlich aber nicht, den Roboter zu einem unschlagbaren Jenga-Meister zu machen. Sie wollen seine mit der Kombination von visuellen und ertasteten Daten hinzugewonnen Fähigkeiten erforschen.

In einem weiteren Beitrag in „Science Robotics“ befasst sich Robin Murphy von der Texas A&M University mit der Darstellung von Roboterlernen in Science-Fiction-Büchern und -Filmen. Häufige Motive sind dabei, dass das Lernen für Roboter einfach ist und dass es zu Empfindungsvermögen führt. Beides sei in der Wirklichkeit nicht so, schreibt Murphy. Eine Sache aber werde meist korrekt dargestellt: Dass es sehr schwierig ist, einem Roboter beizubringen, das Richtige zu lernen.

science.ORF.at/dpa

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