Im Schlaf lernen funktioniert wirklich
Ein Team um die Psychologin Katharina Henke von der Universität Bern beschallte im Labor 41 Frauen und Männer beim Schlafen über Kopfhörer mehrfach mit Fantasiewörtern, denen es jeweils unterschiedliche Bedeutungen zuordnete.
Studie
„Implicit Vocabulary Learning during Sleep Is Bound to Slow-Wave Peaks“, Current Biology, 31.1.2019
Eine Versuchsperson hörte etwa „Guga - Vogel“, eine andere „Guga - Elefant“. Nach dem Aufwachen wurden sie befragt: Ist Guga ein großer oder kleiner Gegenstand, passt es in eine Schuhschachtel oder nicht?

Universität Bern
Ein Proband im Schlaflabor
Gemeinsame Aktivität der Gehirnzellen
Wenn das zweite Wort des Wortpaares in einer bestimmten Schlafphase bei den Menschen ankam, identifizierten die Versuchspersonen nach dem Aufwachen 60 Prozent der Fantasiewörter korrekt als etwas Großes oder Kleines - so, wie sie es im Schlaf gehört hatten.
Wichtig war es, die „up-state“ genannte Schlafphase zu treffen. Dabei handelt es sich um Phasen, in denen die Gehirnzellen gemeinsam aktiv sind. Sie dauern nur eine halbe Sekunde und wechseln sich ab mit passiven Phasen („down-state“) ohne Aktivität. In welcher Phase sich das Gehirn gerade befindet, lässt sich mit einem EEG-Gerät bestimmen, das die elektrische Aktivität des Gehirns misst.

Universität Bern
Die Aktivitätsphasen im Schlaf
Gedächtnis bildet sich auch unbewusst
Gedächtnisbildung sei also sowohl im bewussten als auch unbewussten Zustand möglich, sagte Mitautor Marc Züst der dpa. „Wir wollten zeigen, dass man auch in unbewusstem Zustand lernen kann.“ Daraus lasse sich aber nicht die Empfehlung ableiten, sich generell nachts mit Informationen berieseln zu lassen in der Hoffnung, dass etwas hängen bleibe. Schließlich wisse man noch nicht, ob das nicht auch ungewollte Folgen haben könne.
Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, Peter Young, sprach von einer bahnbrechenden Studie. „Dies ist eine neue Dimension des Verständnisses von Schlaf“, sagte er der dpa. Die Forscher hätten gezeigt, dass das Gehirn im Schlaf ohne Bewusstsein assoziativ Dinge lernen könne.
Für Menschen mit Lernschwierigkeiten
Henke sieht aber eine mögliche Anwendung bei Menschen mit Lernschwierigkeiten. So könnten die Erkenntnisse womöglich zu einem zweistufigen Lernverfahren führen: einmal die unbewusste Aufnahme im Schlaf durch Beschallung mit bestimmten Lerninhalten, verstärkt durch das Lernen der gleichen Inhalte im wachen Zustand. Schlafforscher Young sieht mögliche Anwendungsgebiete auch in der Rehabilitation nach Krankheit und Unfällen.
„Die Studie zeigt noch einmal die Wichtigkeit von Schlaf für Lernvorgänge“, sagte Young. Bekannt war, dass Schlaf zur Lernkonsolidierung beitrage, also zur Verfestigung des zuvor Gelernten. „Wer abends Flöte spielt, kann das Stück oft morgens besser, weil der Lerneffekt bei gutem Schlaf konsolidiert wird“, sagte er. Dass auch ohne Bewusstsein im Tiefschlaf Assoziationen stattfinden, sei neu.
science.ORF.at/dpa