Wie aus Fußballfans Sportler werden

Fußball spielen in der Theorie viele - in der Praxis eher wenige. Forscher haben ein Programm entwickelt, mit dem sie vor allem männliche, übergewichtige Fußballfans zu mehr Bewegung und gesünderer Ernährung motivieren wollen. Mit positivem Ergebnis.

„Austria Wien - ein Leben lang“ heißt es bei violett gekleideten Fans in Wien. Bei Sturm Graz singen sie „Du allein bist mein Verein, ohne dich kann ich nicht sein“ und in der Hymne von RB Salzburg heißt es „Salzburg heißt die Mannschaft, der wir die Treue halten“. Diese ewige Fanliebe, wie sie Fußballfans in ganz Europa verspüren, haben sich nun schottische Forscher zunutze gemacht, um über 1.000 übergewichtige, männliche Fans zu animieren, sich mehr zu bewegen und sich gesünder zu ernähren.

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Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Morgenjournal sowie in den Nachrichten am 6.2.

Der Grund dafür: Zwar bewegen sich Menschen in Europa allgemein zu wenig, „Männer sind aber noch schwerer für Programme zur Veränderung ihres Lebensstils zu motivieren als Frauen“, erklärt die Studienleiterin Sally Wyke von der Universität Glasgow. Vielerorts gelten Gesundheit und Ernährung nämlich als typische Frauenthemen, so die Sozialwissenschaftlerin weiter.

Training im Fußballclub

Aus diesem Grund haben die Forscher rund um Wyke das Gesundheitsprogramm speziell für Männer aufgezogen. „Wir haben einfach gesehen, dass Fußball viele Menschen begeistert und bewegt.“ So wurden die übergewichtigen Fußballfans von ihrem Lieblingsverein zu einem 12-wöchigen Kurs in ihren Club eingeladen. An der Studie beteiligt waren insgesamt 15 europäische Fußball-Clubs, darunter Manchester City, FC Porto, der niederländische PSV Eindhoven und der norwegische Tabellenführer Rosenborg Trondheim. „Es waren viele Männer sehr motiviert mitzumachen. Auch dass es ein Programm nur für Männer war, die dieselben Interessen hatten und ähnliche, unsportliche Figuren, sprach viele an.“

Einmal in der Woche für 90 Minuten erfuhren die Teilnehmer in den Räumlichkeiten der Clubs alles über gesunde Ernährung, tauschten sich aus, lernten, wie sie ihre Bewegung mit einem speziellen Gerät überwachen können und wie sie es schaffen, sich realistische Etappenziele zu setzen. „Dieses Programm ist wirklich darauf ausgerichtet, langsam Fitness aufzubauen. Anfangs haben die Teilnehmer nur gemessen, wie viele Schritte sie täglich machen. In der zweiten Woche setzten sie sich selbst kleine Ziele, sodass sie dreimal die Woche mehr gehen als üblich. Das baut sich immer weiter auf.“

Weiters lernten die Fans ein spezielles FIFA-Aufwärmtraining, das auch Profis machen, gingen Runden im Stadion, spielten Fußball im Gehen oder boxten. „Am Ende sollten sich die Fans gegenseitig animieren und sich unterstützen bzw. selbst wissen, wie sie sich fit halten können. Wir haben ihnen hier wirklich Werkzeuge in die Hand gegeben, die sie ihr Leben lang nutzen können.“

Veränderung des Lebensstils hält an

Tatsächlich bewegten sich die Teilnehmer auch Monate nach Ende des Kurses mehr als vor dem Programm und machten täglich im Schnitt 700 Schritte mehr. „Das entspricht pro Tag in etwa sieben bis zehn Minuten mehr Bewegung auf einem moderaten Niveau“, so Wyke.

Auch haben sich die Fans weiterhin gesünder ernährt und sich wohler und selbstbewusster gefühlt, haben weiterhin abgenommen und ihre Gesundheitswerte waren besser als zuvor. „Das einzige, was sich auf lange Sicht nicht verändert hat, war das Sitzverhalten. Wir haben die Teilnehmer vor allem auch dazu animiert, mehr zu stehen und weniger zu sitzen. Denn wir wissen, dass wenig Bewegung und vieles Sitzen das Gesundheitsrisiko etwa für Herz-Kreislauferkrankungen erhöht“, so die Humanwissenschaftlerin. Im Laufe der Monate verbrachten die Fans laut den Aufzeichnungen ihrer Geräte allerdings wieder ähnlich viel Zeit im Sessel wie zuvor. „Ich denke, es ist auch kulturell schwierig, hier etwas zu ändern und mehr zu stehen. Auch ich als Wissenschaftlerin sitze die meiste Zeit hinter meinem Computer. Einen Stehtisch haben wir nicht.“

Programm macht sich bezahlt

Weiteren noch nicht veröffentlichten Berechnungen zufolge würde sich aber selbst das, was die Fans in dieser Studie erreicht haben, auf lange Sicht positiv auf Gesundheitszahlungen auswirken - private wie öffentliche, berichtet die Sozialwissenschaftlerin. „In den ersten Monaten ist es eher teurer. Wir haben aber gesehen, dass dieses Programm langfristig kosteneffizient ist.“

In einem nächsten Schritt wollen die Forscher gemeinsam mit dem Netzwerk „Healthy Stadia“ Wege finden, wie Fußballclubs und auch die Politik ein solches Projekt europaweit dauerhaft umsetzen und unterstützen können. „Schon jetzt aber können sich interessierte Clubs über Healthy Stadia anmelden.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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