Fukushima-Beben löste Kohlenstofflawine aus

Das verheerende Erdbeben vor der Küste Japans im Jahr 2011 hatte auch beträchtlichen Einfluss auf den Stoffhaushalt der Meere: Laut neuen Messungen ist dadurch eine Milliarde Kilogramm an Kohlenstoff in den Japangraben gelangt.

Am stärksten im kollektiven Gedächtnis festgesetzt hat sich das sogenannte Tohoku-oki-Erdbeben vom 11. März 2011 wegen des Tsunamis, der weite Gebiete verwüstete, rund 19.000 Menschen in den Tod riss und einen GAU im Atomkraftwerk Fukushima verursachte.

Was sich in der Folge am durch den bis mehr als acht Kilometer hinab reichenden Japangraben geprägten Meeresgrund veränderte, dokumentierten Forscher bereits im Jahr danach: Der Meeresboden hatte sich demnach auf einem Gebiet von über 15.000 Quadratkilometern um durchschnittlich etwa fünf Meter gehoben. Die Erdkruste riss auf etwa 400 Kilometern Länge auf, einzelne Bereiche wanderten um bis zu 50 Meter nach Osten, berichtete eine Forschungsgruppe, der auch Michael Strasser von der Universität Innsbruck angehörte.

Geologisches „Archiv“ geöffnet

Nun hat Strasser mit Kollegen aus Japan, den USA, Deutschland und der Schweiz Daten aus mehreren Expeditionen zwischen 2012 und 2016 vor der Küste Japans ausgewertet: Durch die in sehr großen Tiefen entnommenen Bodenproben und die genaue Vermessung des Meeresgrundes durch das deutsche Forschungsschiff „FS Sonne“ konnten die Wissenschaftler errechnen, dass durch die Katastrophe rund eine Milliarde Kilogramm Kohlenstoff aus dem geologischen „Archiv“ in den Tiefseegraben gelangte.

Karte mit den Inseln Japans und dem östlich davon gelegenen Japangraben

Google Earth

Der Japangraben - eine Tiefseerinne im nordwestlichen Teil des Pazifischen Ozeans

„Die Ergebnisse haben uns und unsere Kollegen überrascht. Das ist viel höher als erwartet“, sagt Tobias Schwestermann, ein Koautor der Studie. Zum Vergleich: Das Flusssystem des Ganges-Brahmaputra transportiert jährlich etwa die vierfache Menge an Kohlenstoff ins Meer.

„Wenn wir über den globalen Kohlenstoffkreislauf sprechen, müssen wir in Zukunft auch an die tiefsten und am wenigsten erforschten Tiefseegräben unserer Weltmeere denken“, betont Strasser. Nun wollen die Geologen noch längere Sedimentbohrkerne aus dem Japangraben entnehmen, um daraus Rückschlüsse auf frühere Erdbeben zu ziehen.

Folgen noch unklar

Ob der Kohlenstoff in der Tiefsee auch Einfluss auf das Klimasystem hat, ist bisher unklar. Strasser sieht zwei Szenarien, wie der Kohlenstoff mobilisiert werden könnte: Denkbar sei, dass er als Dünger in Tiefseeorgansimen gelangt. Langfristig könnte er als Teil des Sediments auch in Randbereiche tektonischer Platten und dann über Vulkanismus in die Atmosphäre gelangen. Letzteres ist allerdings ein Vorgang, der „Hunderttausende bis Millionen Jahre dauert“, betont Strasser gegenüber science.ORF.at. „Für die aktuelle Klimadebatte ist das also nicht unbedingt relevant.“

science.ORF.at/APA

Mehr zu diesem Thema: