Die „Vertrumpung“ der Sprache

Direkt, freimütig und schlicht - Donald Trumps Sprache ist Teil seines Erfolgs und fast so etwas wie sein Markenzeichen. Eine Analyse von historischen Politikerzitaten zeigt nun: Der Trend zur Vereinfachung hat schon lange vor ihm begonnen.

Mit dem einfachen Slogan „Make America great again!“ hat Donald Trump vor mehr als zwei Jahren - für die meisten völlig überraschend - die Wahlen in den USA für sich entschieden. Seinem sprachlichen Stil ist der derzeitige US-Präsident seitdem weitgehend treu geblieben. Seine Äußerungen sind knapp, nicht allzu kompliziert, oft nicht ganz korrekt, aber immer mit großer Zuversicht und vor allem mit sehr viel Selbstbewusstsein vorgetragen.

Nach seinen ersten hundert Tagen im Amt ließ er die Öffentlichkeit etwa wissen: „I’ve think we’ve done more than perhaps any president in the first hundred days“. Trump mit seinen teils oft unfreiwillig komischen Aussagen („I’ll probably will do it maybe definitely“, es ging um den nationalen Notstand anlässlich des Shutdowns, Anm.) gilt vielen als Beispiel eines neuen unkonventionellen Politikertypus, der nicht jedes Wort auf die Waagschale legt.

Gibt es einen neuen Stil?

Ob dieser Typus tatsächlich so neu ist, haben die Forscher um Kayla N. Jordan von der University of Texas in Austin nun zumindest auf sprachlicher Ebene untersucht: Hat sich der Sprachstil bei US-Präsidenten mit Trump tatsächlich so essenziell verändert? Gibt es weltweit ähnliche Entwicklungen? Und steckt dahinter vielleicht ein grundlegender kultureller Wandel?

Um das herauszufinden, hat das Psychologenteam nun insgesamt mehr als zwei Millionen Texte systematisch analysiert, darunter Reden und Debatten von US-Präsidenten und Präsidentschaftskandidaten der letzten 200 Jahre. Außerdem Äußerungen von Oppositionspolitikern sowie einfachen politischen Amtsträgern und von Politikern aus anderen englischsprachigen Ländern (Großbritannien, Australien, Kanada). Zum Abgleich mit allgemeinen kulturellen Sprachtrends wurden zusätzlich Nachrichten, Romane und Filmtranskripte unter die Lupe genommen.

Was die Wortwahl zeigt

Im Mittelpunkt der Analyse standen Funktionswörter, also Wörter, die selbst keinen Inhalt transportieren, aber das sprachliche Gerüst bilden. Wie frühere Studien zeigen, lassen sich an ihren Gebrauch bestimmte Sprachstile festmachen. Bei einem eher narrativen Stil - so wie Trump ihn pflegt - kommen mehr Pronomen, Hilfszeitwörter und Adverben vor. Die Äußerungen sind dadurch einfach, subjektiv und intuitiv. Pronomen wie „du“ und „wir“ drücken den Forschern zufolge zudem große Zuversicht und viel Selbstvertrauen aus, weswegen sie von Anführern von Gruppen besonders häufig verwendet werden. Auf der anderen Seite zeichnet sich auch ein eher analytischer Sprachstil durch bestimmte Funktionswörter aus. Dabei finden sich in den komplexeren Sätzen viel mehr Präpositionen, Bindewörter und Artikel.

Die Analyse der Politikertexte aus den USA ergab: Trump ist kein Einzelfall. „Heute sprechen Politiker generell viel persönlicher als früher“, so Jordan gegenüber science.ORF.at. Auch Trumps Vorgänger pflegten in Reden und Interviews eine relativ einfache und subjektive Sprache. Einzig bei Debatten sticht der heutige Präsident heraus. Er bleibt seinem Stil auch dort treu - dieser könnte also tatsächlich seiner natürlichen Neigung entsprechen und nicht nur ein rhetorischer Dreh sein, der ihm von Redenschreibern in den Mund gelegt wurde.

Trend begann vor hundert Jahren

Trump mag zwar extrem sein, er spiegelt aber einen Trend, der laut den Forschern vor etwa hundert Jahren begann. Noch im 19. Jahrhundert war die Sprache von Politikern sehr analytisch. Rund um den Ersten Weltkrieg begann der große Umbruch. „An intellectual is a man who takes more words than necessary to tell more than he knows“, eine Formulierung des langjährigen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower, die den Trend zur Vereinfachung auf den Punkt bringt. Offenbar hat man im 20. Jahrhundert langsam erkannt, dass man das Volk mit einfachen Worten am besten erreicht.

Ein Vergleich mit politischen Textdokumenten aus anderen englischsprachigen Ländern zeigt: „Den Trend zur Vereinfachung kann man überall nachweisen, er ist allerdings nirgends so ausgeprägt wie in den USA“, so Jordan. Eine Ausnahme sind die politischen Führungspersonen in Großbritannien, die bis heute einen vergleichsweise analytischen Sprachstil pflegen.

Kein kultureller Trend

„Sprachlich deutlich nachweisbar ist die Vereinfachung nur in der Politik“, wie die Psychologin betont. Zumindest gebe es bei kulturellen Artefakten wie Romanen und Filmen keine vergleichbare Entwicklung. Nur bei Nachrichtentexten gibt es eine ähnliche Tendenz wie in der Politik, aber sie ist weniger ausgeprägt.

„Was genau die Ursachen für die Entwicklung sind, lässt sich anhand der Auswertung nicht beurteilen“, so Jordan. Die Autoren formulieren dennoch einige Vermutungen: So haben wahrscheinlich die neuen Kommunikationsmöglichkeiten ihren Teil zu der Entwicklung beigetragen. Früher gab es vielleicht einen kurzen Zeitungsbericht, und Reden wurden maximal vor einer Handvoll Personen gehalten. In Zeiten von Fernsehen, Internet und Co. erreicht man die Öffentlichkeit womöglich tatsächlich am besten, wenn man einen subjektiven, direkten und leicht verständlichen Stil pflegt.

Zudem werden die Probleme und die Welt komplexer - wenn eine Führungsperson eindeutige, knappe Antworten findet, macht sie sich damit vermutlich beliebter, als wenn sie allen Aspekten Rechnung tragen würde. Der Trend zur Vereinfachung könnte aber auch einfach ein Ausdruck veränderter sozialer Normen sein, so die Forscher. Das öffentliche Leben ist heute deutlich informeller und weniger streng geregelt als noch vor hundert Jahren.

Eva Obermüller, Mitarbeit: Isabella Ferenci

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