Forscher schaffen Super-DNA

Die DNA von Pflanzen, Tieren und Menschen besteht aus vier Buchstaben - so hat es die Natur vorgesehen. Doch es wären auch andere, kompliziertere Versionen des Erbmoleküls denkbar: So eine Super-DNA haben nun Genetiker tatsächlich hergestellt.

Sie heißt Hachimoji-DNA, abgeleitet von den japanischen Wörtern „hachi“ (acht) und „moji“ (Buchstabe). Und damit ist schon das Wichtigste über die Eigenschaften der Designer-DNA gesagt. Denn das Erbmolekül aus den Laboratorien der Firma Firebird BioMolecular Sciences verfügt neben den in der Natur üblichen Buchstaben A, G, T und C auch über die Buchstaben P, Z, B und S – also acht statt vier.

Blaupause für Leben im All?

Chemisch sind die neuen Bausteine ihrem natürlichen Vorbild recht ähnlich. Es handelt sich ebenfalls um Basen, die sich über Wasserstoffbrücken zu einem wendeltreppenförmigen Molekül zusammensetzen, und sie fügen sich auch sonst erstaunlich reibungslos in die Funktionskreise der Genetik. Soll heißen: Die Hachimoji-DNA kann sich – entsprechende Unterstützung von Enzymen vorausgesetzt - teilen und sie kann die gespeicherte Information auch in Hachimoji-RNA oder in Proteine übersetzen. So, wie es auch die normale DNA tut.

Erweitertes Alphabet

Die Hachimoji-DNA verwendet acht statt vier Buchstaben. Sie hat die Form einer Helix - wie die natürliche DNA in Pflanzen, Tieren und Menschen.

All diese Eigenschaften machen die Hachimoji-DNA zu einem Kandidaten für eine andere Form des Lebens. Auf der Erde gibt es (noch) keine Organismen, die mit diesem Molekül etwas anfangen können. Aber vielleicht anderswo? Andrew Ellington, einer der Studienautoren, hält das für möglich. Er glaubt, dass die im Labor hergestellte Hachimoji-DNA auch auf natürlichem Wege, also durch Evolution in einer Ursuppe entstehen könnte. Das ist freilich zum gegenwärtigen Zeitpunkt Spekulation. Über Beweise für Leben auf fernen Planeten verfügt die Wissenschaft noch nicht.

Was Schrödinger voraussah

Grundsatzfragen berührt die Studie im Fachblatt „Science“ jedenfalls – Fragen, wie sie etwa der Erwin Schrödinger anno 1942 gestellt hatte: In seinem Buch „Was ist Leben?“ prognostizierte der österreichische Physiker (wohlgemerkt Jahre vor der Aufklärung der DNA-Struktur durch Watson und Crick), dass die „Erbsubstanz“, wie auch immer sie aussehen mag, aus Gruppen baugleicher Blöcke bestehen muss. Schrödinger nannte dieses Ding einen „aperiodischen festen Körper“. Und so ein Ding ist auch die Hachimoji-DNA, ein alternativer Informationsträger, der alle Voraussetzungen erfüllen würde, um die Maschinerie des Lebens anzutreiben.

Wie die Forscher in ihrer Studie schreiben, eröffnet das Molekül zahlreiche Möglichkeiten für die angewandte Labortechnik. Man könnte damit etwa neuartige Medikamente und Proteine herstellen oder in der Diagnostik neue Wege beschreiten. Studenleiter Steven Benner hat Varianten der Hachimoji-DNA durch Evolution im Labor hergestellt, die Anthrax-Toxine sowie Brust- und Lebertumore erkennen können. „Nun entwickeln wir DNA, die für die Krankheit verantwortliche Proteine selektiv zerschneidet“, sagt der US-amerikanische Genetiker.

Sein nächstes Ziel: Er will Kolibakterien beibringen, das Acht-Buchstaben-Alphabet auszulesen und die Hachimoji-DNA selbstständig zu vervielfältigen. Die ersten Versuche verliefen erfolgreich. Das genetische Upgrade für lebende Zellen soll bereits in diesem Jahr gelingen.

Robert Czepel, science.ORF.at

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