Die Wissenschaft vom Stricken

Stricken ist eigentlich wie Programmieren, sagt eine US-Forscherin: Bestimmte Muster erzeugen Ergebnisse. Die zugrunde liegenden mathematischen Regeln der Strickkunst sollen nun helfen, neue, elastische Materialien zu entwickeln.

Die ersten gestrickten Schals gab es wohl schon vor gut 3.000 Jahren, aber trotzdem gibt es noch einiges über das Stricken zu lernen. Die Physikerin Elisabetta Matsumoto vom Georgia Institute of Technology in Atlanta hat es sich nun zur Aufgabe gemacht aufzuklären, wie unterschiedlichen Kombinationen von Schlingen und Maschen die endgültige Form und Dehnbarkeit des Strickwerks bestimmen.

Maschencode

Matsumoto strickt seit ihrer Kindheit. Als sie sich immer mehr mit Mathematik und Physik beschäftigte, begann sie mit einem neuen Blick auf ihr Hobby zu schauen. Sie forscht heute als Physikerin an den mathematischen Regeln, die dem Stricken zugrunde liegen. Sie vergleicht Stricken mit Programmieren: So wie man Code schreibt, und dabei ein Programm mit bestimmten Funktionen erhält, folgen aus den unterschiedlichen Maschentypen beim Stricken auch andere Funktionen des Endmaterials.

Gestricktes Tier und Strickmuster

Elisabetta Matsumoto

Die Form des gestrickten Tiers entsteht durch das Strickmuster

Dazu gehört vor allem wie dehnbar oder fest der gestrickte Schal oder die Haube am Ende wird. Versteht man die Regeln dahinter, lassen sich mitunter neue Muster errechnen – erst durch die Forschungsarbeit ihrer Gruppe gebe es das neuartige Shashank-Muster, benannt nach dem Doktoranden Shashank Markande. Ziel ist es programmierbare Materialien zu entwickeln, die ganz präzise Eigenschaften hervorbringen, wie Matsumoto bei einer Pressekonferenz am Rande des Frühjahrstreffens der American Physical Society erzählte.

Gestrickte Sehnen und Sonnensegel

Die komplexe Mathematik hinter den ineinandergreifenden Schlingen zu verstehen, sei auch deshalb interessant, weil das klassische Stricken bestimmte Einschränkungen hat. Was wäre alles möglich, wenn man die Theorie außerhalb von zwei Nadeln und einem Knäuel Garn anwenden kann?

Strickmuster: glatte und verkehrte Maschen

Elisabetta Matsumoto

Strickmuster: oben glatte (rechts) Maschen, unten verkehrt (links)

Das Wissen um den Zusammenhang von Strickmuster und mechanischen Eigenschaften ließe sich in Materialien von der Luft- und Raumfahrttechnik bis hin zu Gewebegerüsten in der Medizin einsetzen, erklärt Matsumoto. Zum Beispiel könnte ein gewebeartiges, flexibles Material hergestellt – quasi gestrickt - werden, um biologisches Gewebe, wie z. B. gerissene Bänder zu reparieren, dehnbar und größenangepasst. Und man könnte so Gewebe herstellen, das an einer Stelle fest ist und an anderer hochelastisch.

Oberflächengleichung

Außerdem befasst sich Matsumotos Forschungsgruppe am Georgia Institute of Technology auch damit, wie man diese Regelmäßigkeiten verwenden könnte, um in Computerspielen und animierten Filmen Stoffe und Oberflächen natürlicher wirken lassen. Heute bauen die Animationsprogramme mit relativ einfachen Modellen Oberflächen auf, eine Stricktheorie könnte eine etwas natürlichere Komplexität möglich machen.

Im Moment konzentriert sich die Matsumoto-Gruppe - wie ein Strickanfänger auch - auf sehr einfache Stichmuster und sieht sich mathematisch zunächst Kurven in Strickgittern an. Elisabetta Matsumoto hofft jedoch bald zu verstehen, wie sich Strickwaren in 3D verhalten und ihre komplexen Eigenschaften aufbauen.

Isabella Ferenci, Ö1-Wissenschaft

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