Süße Getränke als „Tumortreibstoff“

Als Dickmacher hat künstlicher Fruchtzucker schon bisher einen schlechten Ruf gehabt. US-Forscher weisen nun auf ein weiteres Gesundheitsrisiko hin: Der in süßen Getränken enthaltene Maissirup sei ein „Treibstoff für Darmtumore“.

Stellen Sie sich vor, Sie würden täglich eine Dose Limonade mit etwa 350 Millilitern trinken. Das ist etwas mehr als eine handelsübliche Dose in Österreich. Nicht mehr - umgerechnet auf Mäusedimensionen - haben Labormäuse in einer Studie des Weill Cornell Medical College in New York jeden Tag bekommen.

Die Studie

High-fructose corn syrup enhancesintestinal tumor growth in mice, „Science“ (21.3.2019)

Ö1-Sendungshinweis

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Maissirup fördert direkt Polypenwachstum

Die Folge davon: Die bereits im Darm der Mäuse vorhandenen Polypen wuchsen deutlich schneller und entwickelten sich öfter zu Vorstufen von Darmkrebs als bei jenen Mäusen, die Wasser bekommen hatten, so der Molekularbiologe und Autor Lewis Cantley. „Es zeigte sich allerdings nicht, dass sich die Polypen vermehrten. Man muss also schon Polypen haben.“ Das trifft nicht auf alle Menschen zu.

Direkt verantwortlich für das Wachstum der anfangs harmlosen Schleimhautvorwölbungen im Dickdarm machen die Forscher industriell hergestellten Maissirup. Vor allem in den USA wird dieser günstige Zuckerersatz in Limonaden, Müsliriegeln und Fertiggerichten verwendet. So auch für die Mäuselimonade in der Studie.

Limonadenflaschen in der Fabrik

ASSOCIATED PRESS

Das Problem ist vor allem der hohe Fruchtzuckeranteil des Sirups. Wie die Forscher zeigten, löst Fruktose Prozesse aus, durch welche die Darmpolypen bzw. Krebszellen aus dem Zucker direkt Energie für ihr Wachstum gewinnen können. Darüber hinaus fördert er die Produktion von Fettsäuren. Diese seien ein „Treibstoff für den Darmtumor“, schrieben die Forscher - das Gleiche gelte auch für den Zucker. In einer nächsten Studie gehe es nun darum, nach demselben Effekt in Menschen zu suchen, so Cantley.

Effekt auch bei Haushaltszucker?

Fraglich ist, ob das Studienergebnis auch auf den in Europa üblichen Zucker aus Zuckerrohr und Zuckerrüben übertragbar ist. Zwar gibt es auch in Europa Produkte mit Maissirup, allerdings ist Saccharose, also herkömmlicher Haushaltszucker, wesentlich häufiger in Speisen und Getränken zu finden.

Untersucht wurde Haushaltszucker in der Studie zwar nicht. Die Studienautoren halten es allerdings trotzdem für wahrscheinlich, dass auch dieser das Tumorwachstum ähnlich beschleunigen könnte wie Maissirup. „Saccharose ist schließlich ähnlich zusammengesetzt wie Isoglukose, also Maissirup“, so Cantley. Während Letzterer aus 45 Prozent Glukose und 55 Prozent Fruktose besteht, ist das Verhältnis bei Haushaltszucker 50 zu 50.

Obwohl Vergleichsstudien sowie Untersuchungen am Menschen noch fehlen, empfehlen die US-Forscher vor allem Menschen mit einer Anfälligkeit für Darmpolypen, auf Getränke und Speisen mit industriell hergestelltem Zucker weitestgehend zu verzichten. Denn solange Veränderungen im Darm im frühen Stadium sind, können sie gut entfernt werden. Normalerweise vergehen im Schnitt 20 Jahre, bis aus einer harmlosen Schleimhautvorwölbung Krebs wird.

In Österreich wird jährlich bei rund 2.500 Männern und 1.900 Frauen die Diagnose Darmkrebs gestellt. Die Sterblichkeit ist dabei in den letzten Jahrzehnten gesunken, was großteils auf die verbesserte Vorsorge zurückzuführen ist.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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