Modell: Wie Windräder Insekten gefährden

Windräder können für Vögel und Fledermäuse tödliche Fallen sein, das wissen Artenschützer schon lange. Doch auch manchen Insekten machen die Rotoren zu schaffen, wie eine neue Modellrechnung zeigt. Wirklich groß ist der Einfluss aber wohl nicht.

Laut der Modellrechnung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) werden in Deutschland jeden Tag von April bis Oktober Milliarden Insekten an Windkraftanlagen getötet. Insgesamt summieren sich die Verluste demnach auf 1.200 Tonnen pro Jahr.

Naturschützer bezweifeln nicht die Zahlen der Studie, wohl aber die Aussagekraft: „Es wäre völlig an den Haaren herbeigezogen, eine nennenswerte Gefährdung von Insektenpopulationen durch Windräder abzuleiten“, sagte Lars Lachmann vom Naturschutzbund Deutschland. Allein in deutschen Wäldern würden jährlich 400.000 Tonnen Insekten von Vögeln gefressen.

Windräder vor einer Bergkette

GABRIEL BOUYS / AFP

Modellrechnung: Fünf Prozent überleben nicht

Die Autoren Franz Trieb vom DLR in Stuttgart, Thomas Gerz vom DLR in Oberpfaffenhofen und Matthias Geiger vom Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere in Bonn machen selbst darauf aufmerksam, dass sie nicht genau sagen können, wie sehr sich die Verluste auf die gesamte Insektenpopulation auswirken. Auch könnten sie keine Vergleiche zu anderen potenziellen Ursachen für die rückläufige Insektendichte wie den vermehrten Einsatz von Pestiziden, die Urbanisierung oder den Klimawandel ziehen.

Die drei Experten haben für das Jahr 2017 ermittelt, dass die Rotoren der rund 31.000 Windenergieanlagen in Deutschland eine Fläche von ungefähr 158 Millionen Quadratmetern bestrichen. Die mittlere Auslastung der Anlagen und die Windgeschwindigkeit führen zu der Aussage, dass während der Insektenflugsaison von April bis Oktober etwa acht Millionen Kubikkilometer Luft durch die Anlagen wehen - das ist das Zehnfache des deutschen Luftraums bis 2000 Meter Höhe.

Ein Kubikkilometer Luft enthalte etwa neun Kilogramm Insekten, von denen die meisten eine Begegnung mit einer Windkraftanlage überlebten, erläutern die Forscher weiter. Doch fünf Prozent von ihnen, eben rund 1.200 Tonnen, fallen rechnerisch den Windrädern zum Opfer. Das entspreche fünf bis sechs Milliarden Heuschrecken, Bienen, Wespen, Zikaden und Käfer an jedem Tag der warmen Saison.

Lobbyverband: “Problemlöser, nicht -verursacher“

Der deutsche Bundesverband Windenergie sieht methodische Schwächen der DLR-Studie. „Windenergie erzeugt Strom, ohne CO2 und andere Emissionen auszustoßen, welche als essenzielle Gefährdung für die Insektenpopulationen anerkannt sind“, sagte Geschäftsführer Wolfram Axthelm. In Deutschland seien durch die Windenergie allein im vergangenen Jahr CO2-Emissionen in Höhe von 172 Millionen Tonnen eingespart worden. „Windenergieanlagen sind im Zusammenhang der Artenentwicklung von Insekten also als Problemlöser zu verstehen, nicht als Problemursache.“

Schon länger bekannt ist, dass Windkraftanlagen Vögeln und Fledermäusen zum tödlichen Verhängnis werden können. Doch auch hier besteht das Problem, dass sich das Ausmaß kaum erfassen lässt. Insgesamt ist der starke Schwund in der Vogelwelt nach Ansicht der Fachwelt im Wesentlichen auf von der intensiven Landwirtschaft verursachte Probleme zurückzuführen. In Europa leben laut Monitoring-Programmen rund eine halbe Milliarde Vögel weniger als vor 40 Jahren.

science.ORF.at/dpa

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